Eidernebel
hier ihre Arbeit und gut ist es!«
»Da ist die Husumer Kripo anders, Herr Kretschmer. Wir interessieren uns für das Privatleben von Frau Missler. Wenn Sie uns da nicht weiterhelfen können, dann würden wir jetzt gerne alle Mitarbeiter persönlich befragen.«
»Das geht auf keinen Fall. Bevor die mit Ihnen sprechen dürfen, muss ich erst die Genehmigung der Geschäftsleitung einholen!«
»Doch, das geht auf jeden Fall, Herr Kretschmer! Und wenn Sie nicht sofort veranlassen, dass wir jeden Einzelnen allein befragen können, werden wir die gesamte Belegschaft zum Verhör in die Husumer Direktion einbestellen, und zwar sofort und alle auf einmal. Außerdem möchte ich Namen und Adressen aller Personen, die im Moment nicht arbeiten. Wir ermitteln in einem Mordfall, falls ich Sie daran erinnern muss.«
»Bevor Sie mir hier die Pferde scheu machen, können Sie meinetwegen in den Aufenthaltsraum gehen. Ich schicke Ihnen dann alle Frauen rein, eine nach der anderen. Aber Sie müssen mir versprechen, dass Ihre Gespräche vertraulich behandelt werden und nicht in die Öffentlichkeit gelangen.«
»Das hört sich ja fast an, als hätten Sie Dreck am Stecken?«, mischt Jacobsen sich mit einem drohenden Unterton ein. »Seien Sie nur froh, dass wir nicht von der Presse sind.«
Jürgen Kretschmer springt auf, eilt zur Tür und öffnet sie. Er lehnt sich heraus und ruft in den Verkaufsraum: »Frau Jürs, machen Sie Kasse zwei zu und melden Sie sich bei mir! Frau Hinrichs, Sie übernehmen so lange!«
Kurze Zeit später tritt die Frau, die Mielke an der Kasse angesprochen hatte, ins Büro und sieht die Männer fragend an.
»Frau Jürs, die beiden Herren sind von der Husumer Kripo, die im Mordfall von Frau Missler ermitteln. Sie möchten Ihnen einige Fragen stellen. Sie kannten Frau Missler doch ganz gut. Können Sie die Herren bitte in den Aufenthaltsraum begleiten und melden Sie sich, wenn Sie fertig sind, wieder bei mir.«
»Okay«, sagt die Frau aufgeregt, »kommen Sie dann?«
Mielke und Jacobsen folgen der Frau, während der Filialleiter sich wieder dem Computer zuwendet. Er klickt das Postfach an und sieht, dass die angekündigte Mail aus der Konzernleitung kommt. Er öffnet sie und liest:
Sehr geehrter Herr Kretschmer,
nach einer unserer routinemäßigen Kontrollen in Ihrem Markt in Friedrichstadt sind folgende Mängel zu verzeichnen:
1. Die Mitarbeiterin Jürs ist am rechten Oberarm tätowiert. Dies sieht sehr nach Marke ›Eigenbau‹ aus. Insbesondere von älteren Kunden könnte das als Gefängnis-Tätowierung eingestuft werden. Frau Jürs ist von Ihnen umgehend anzuweisen, den Oberarm während der Arbeitszeit, insbesondere an der Kasse, bedeckt zu halten.
2. Des Weiteren ist uns der untragbare Zustand des Aufenthaltsraums aufgefallen. Dort befanden sich während unserer Kontrolle Tönungsfolie fürs Autos, Johanniskraut Dragees, ein Gartenschlauch, ein Gartensprenger, ein Pediküreset, drei Mal Mischbatterien für die Brause/Dusche, Café Frappé, eine Miniluftpumpe und ein Camembert. Was die Artikel dort zu suchen hatten, war nicht ersichtlich. Wir möchten, dass Sie das unverzüglich klären.
3. Bei Libo gibt es bundesweit 2.400 Filialen mit 40.000 Beschäftigten. Bis jetzt ist es lediglich in 7 Filialen gelungen, einen Betriebsrat durchzusetzen. Die Geschäftsleitung legt großen Wert darauf, dass es dabei bleibt. In der Filiale Friedrichstadt soll es erste Versuche gegeben haben, die Wahl eines Betriebsrates anzustreben. Über diese Vorgänge liegt uns bis heute kein Hinweis von Ihrer Seite vor. Die Geschäftsleitung möchte darauf hinweisen, dass wir eine loyale Haltung unserer leitenden Mitarbeiter erwarten.
Es versteht sich von selbst, unbedingtes Stillschweigen über dieses Schreiben zu bewahren.
Im Auftrag der Geschäftsleitung
Peter Drenkhahn
Durch eine Mauer getrennt, nur wenige Meter vom Drehstuhl des Filialleiters entfernt, sitzen die beiden Kripobeamten auf blauen Plastikstühlen im Nebenraum. Es ist eng in dem schlauchartigen Aufenthaltsraum, die Wände schmucklos grau, selbst ein verblasstes Mallorca-Plakat scheint bereits einige Jahre hier zu hängen.
»Es wird höchste Zeit, dass Sie uns endlich sagen, was Sie wissen, Frau Jürs.« Die Stimme von Oberkommissar Mielke klingt fordernd. Die schmächtige Frau hockt wortlos auf ihrem Plastikstuhl, sieht auf den Boden und spielt nervös mit den Fingern in ihrem Pferdeschwanz.
»Ich brauch diesen Job hier«, fleht die
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