Eidernebel
gibt eben auch etwas Erfreuliches. Marcus Bender, einer der Puppenspieler, hat mich vor Kurzem angerufen und gesagt, er würde in diesem Jahr wieder nach Husum kommen.«
»Aha!«
Susan Biehl steigt die Röte ins Gesicht: »Keine falschen Gerüchte, Jan. Noch ist gar nichts los, klar!«
»Ich kann schweigen, Susan, versprochen«, sagt Swensen, hebt die Hand flüchtig zum Schwur und verlässt die Küche in Richtung Konferenzraum. Dort versammelt sich das Team der SOKO Kirche nach und nach um den langen Tisch. Swensen gießt sich gerade Tee ein, da kommt Colditz herein, im Schlepptau den Polizeirat. Der Hauptkommissar schließt die Augen. Er ahnt bereits, was jetzt kommt.
»Ich will es kurz machen, Kollegen!«, hört er die Stimme von Heinz Püchel und sieht selbst mit geschlossenen Augen, wie der Polizeirat seine Worte mit hektischen, sprunghaften Bewegungen begleitet.
»Und Kollegin!«, sagt Silvia Haman lakonisch dazwischen.
»Silvia!«, knurrt der Polizeirat. »Muss das jedes Mal sein?«
»Was ist so schwer da…«
»Nichts, liebe Kollegin, nur, dass ich heute keinen Nerv für diese Mätzchen habe. Bei mir steht das Telefon nicht mehr still, die Fernsehsender geben sich die Klinke in die Hand für ein Interview. Ich denke, ihr solltet wissen, dass der Tod der beiden Frauen einen mächtigen Druck erzeugt. Und darum bin ich hier.«
»Druck machen wir uns schon selbst genug, Heinz«, meldet sich Swensen zu Wort. »Und dass du unter Druck stehst, ist doch ein Dauerzustand!«
»Heinz möchte nur an der Besprechung teilnehmen, sonst nichts«, ergreift Colditz das Wort. »Es besteht kein Grund, künstlich Probleme zu erzeugen, Jan.«
»’schuldigung, ich wollte nur künstliche Hektik vermeiden.«
»Ist gut jetzt! Lasst uns endlich anfangen. Gibt es irgendwelche neuen Ergebnisse?«
»Ich war gestern noch einmal am Gymnasium von Andrea Goldschmidt«, beginnt Silvia Haman. »Eine spontane Eingebung. War mir schon länger suspekt, dass wir damals so wenig rausbekommen haben. Mit Unterstützung des Rektors habe ich mir alle Jungen der Klasse noch einmal einzeln vorgenommen.«
»Das passiert erst jetzt?«, bellt Püchel.
»Heinz, bitte!«, interveniert Colditz. »Wir machen, was wir können. Weißt du eigentlich, wie viele Hinweise wir abarbeiten?«
Püchel hebt beschwichtigend die Hand und spielt nervös mit seiner Zigarettenschachtel. Colditz bittet Silvia mit einem Blick, fortzufahren.
»Um es kurz zu machen, einer der Burschen ist eingeknickt. Hat mir gesteckt, dass ein Junge mächtig verknallt in die Goldschmidt war, aber nicht den Mut hatte, sie anzusprechen.«
»Da konnte auch nur Silvia drauf kommen, finde ich«, wirft Stephan Mielke ein und erntet einen bösen Blick von Colditz.
»Also, der Junge hat mir gegenüber alles abgestritten. Will am Tatabend beim Biikebrennen in St. Peter gewesen sein. Müssten wir nachprüfen, wenn das überhaupt noch funktioniert.«
»Versuch macht klug. Dann leg mal los, Silvia.«
»Ich hab heute Morgen einen Hinweis bekommen«, setzt Swensen die Besprechung fort. »Ein Lastwagenfahrer aus Witzwort hat eine ortsfremde Person gesehen, die um die Kirche geschlichen ist. Es war ihm aufgefallen, dass sie sich merkwürdig verhalten hat, nicht einer der üblichen Touristen war, der nur die Kirche besichtigen will. Was haltet ihr davon?«
»Unbedingt nachhaken«, fordert Colditz mit fester Stimme. »Wir sollten den Mann unbedingt einbestellen und zusammen mit einem Mitarbeiter unserer ›Visuellen Fahndungshilfe‹ ein Phantombild erstellen lassen.«
»Der könnte den Mann aber nur ungenau beschreiben«, wirft Swensen ein.
»Wir haben keine Wahl, wir müssen jeden Strohhalm packen, der sich uns darbietet. Vielleicht kommt ja doch etwas dabei heraus. Außerdem sollten wir in Osterhever nachfragen, ob jemand der Einwohner dort ähnliche Beobachtungen gemacht hat.«
Juni 2003
»Um Gottes willen, sprich jetzt nicht weiter. Sie können alles sehen und hören«, sagt die Frau mit beschwörender Stimme und springt in einem Satz vom Sofa auf. Sie trägt ein helles Viskosekostüm und eine Pillbox aus demselben Material auf dem Kopf.
»Wer hört und sieht alles?«, bedrängt sie der Mann mit dem weißblonden Bürstenhaarschnitt.
»Nachher, nachher, wir müssen hier raus. Wir müssen so schnell wie möglich aus dem Hotel weg, sonst sind wir verloren!«
»Wovon sprichst du eigentlich? Wovor hast du Angst?«
»Da, sieh doch … und da drüben auch«, sagt die Frau und deutet
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