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Eidernebel

Eidernebel

Titel: Eidernebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wimmer Wilkenloh
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Geschichte, die mir die Frau erzählt hat. Ihr müsst doch zugeben, die ist sensationell, oder?«
    »Ich sage nur, Maria Teskes Märchenstunde!« platzt es aus Erwin Siebenhüner heraus, seines Zeichens Kulturredakteur der Husumer Rundschau.
    Feste Redakteure und freie Mitarbeiter sitzen in der morgendlichen Themenkonferenz zusammen. Think Big hat den Worten von Maria Teske mit ungläubigen Augen und verschränkten Armen gelauscht und sich dabei langsam immer tiefer in die zurückgeklappte Rückenlehne seines Drehstuhls gepresst.
    Kein Wunder, dass Kollege Siebenhüner mal wieder genüsslich zum Halali gegen mich bläst, denkt die Journalistin. Sie versucht ihre aufkochende Wut zu bändigen, bemerkt aber gleichzeitig, dass ihr Herz schneller zu schlagen beginnt. Mittlerweile ist Maria Teske davon überzeugt, dass ihr Herzrasen und die Verbissenheit, den Chef doch noch für das Transplantationsthema zu begeistern, etwas miteinander zu tun haben.
    Sie presst die Zähne zusammen, dass sie knirschen. Ihr inneres Auge schaltet auf ›Film ab‹. Die Szene von gestern Nachmittag startet, als sie dem Ärztlichen Direktor des Kreiskrankenhauses Husum ihren Presseausweis unter die Nase hält und ihren gesamten weiblichen Charme mobilisiert. Eine Woche Wartezeit hatte sie dieser Termin gekostet.
    »Maria Teske, ich bin Journalistin bei der Husumer Rundschau und ich recherchiere zu dem heiklen Thema Herztransplantationen.«
    »Da sind Sie hier in Husum an der verkehrten Stelle, liebe Frau Teske. So einen Eingriff nehmen wir in unserem Krankenhaus nicht vor.«
    »Das weiß ich natürlich, Professor Hanauer. Mir geht es im Moment auch viel mehr um den Ablauf im Umfeld. Wie kommen die Organe eigentlich zu einer Transplantationsklinik?«
    »Ganz automatisch, Frau Teske. Gemäß den ›Richtlinien zur Feststellung des Hirntodes‹ sind wir Krankenhäuser verpflichtet, eine potenzielle Organspende den Transplantationszentren zu melden. Das ist im Transplantationsgesetz ausdrücklich so festgelegt. Wir arbeiten in einem solchen speziellen Fall dann eng mit den Zentren zusammen.«
    »Wie häufig kommt es zu einer solchen Situation? Das letzte Mal war das doch am 17. Juni 1998, da müssten Sie eine junge Frau für Hirntod erklären, oder?«
    »Keine Ahnung, das genaue Datum habe ich nicht mehr im Kopf. Aber woher wollen gerade Sie das so genau wissen?«
    »Ich bereite mich vor, wenn ich zu einem Thema recherchiere. Ich würde gerne einen Bericht über die Organentnahme dieser Frau schreiben. Ist es möglich, dass ich von Ihnen den Namen bekommen könnte? Das wäre zweifellos vertraulich, Professor Hanauer!«
    »Das können Sie sich gleich aus dem Kopf schlagen. Wir unterliegen selbstverständlich der Schweigepflicht. Eine Transplantation ist eine überaus sensible Angelegenheit, dazu dürfen wir uns grundsätzlich nicht äußern, Frau Teske. Und gerade dieser Fall ist mit Sicherheit völlig ungeeignet für ihre Zwecke. Er hat nämlich einen besonders tragischen Hintergrund, die Spenderin war einem Verbrechen zum Opfer gefallen.«
    Das war ein genialer Schachzug!
    Die Journalistin muss unwillkürlich grinsen, so geschickt hatte sie den Typen vollgequatscht, sodass der, ohne das Geringste zu merken, alles ausgeplaudert hatte, was sie wirklich wissen wollte.
     
    »Ich finde, dass es bei deinen Themenangeboten neuerdings keinen Grund zum Grinsen gibt, Maria«, knurrt Think Big .
    »Ich hab nur über die unqualifizierte Aussage von Kollege Siebenhüner gegrinst, ich würde Märchen erzählen«, kontert Maria Teske.
    »Dann mal ganz im Ernst«, sagt Think Big und beugt sich vor. »Die Geschichte dieser Frau klingt für meinen Geschmack mehr nach esoterischem Krimskrams als nach seriösem Journalismus.«
    »Ich gebe zu, das Thema Herztransplantation ist auf den ersten Blick nicht leicht verdaulich, Theodor, aber meine weitere Recherche hat mittlerweile eine echt sensationelle Wendung genommen. Das Herz, das dieser Frau transplantiert wurde, ist kein anderes, als das von Marion Döscher.«
    »Muss ich Marion Döscher kennen?«, fragt Siebenhüner.
    »Eigentlich schon, Kollege! Marion Döscher wurde am 17. Juni 1998 bei Reimersbude überfallen und erschlagen. Unsere Zeitung hat seinerzeit breit darüber berichtet. Ist jetzt der Groschen gefallen, Kollege?«
    »Und deine Frau hat das Herz der Ermordeten?«, fragt Siebenhüner, der langsam ahnt, dass die Kollegin eine heiße Story aufgetan hat.
    »Richtig! Ich war im Archiv und weiß, dass

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