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Eidernebel

Eidernebel

Titel: Eidernebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wimmer Wilkenloh
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an der Kirche. Da müssten sie besser die Einwohner fragen, die um die Kirche herum wohnen.«
    »Das machen wir natürlich auch«, informiert Swensen. »Es könnte aber schneller gehen, wenn Sie in ihrer nächsten Predigt auf die Tatsache hinweisen und das Foto im Schaukasten der Kirchengemeinde unten an der Pforte aushängen.«
    »Wenn das helfen kann, würde ich… also, ich mach es einfach«, entschließt sich der Pastor.
    »Stört Sie etwas an der Bitte?«, fragt Swensen. »Möchten Sie in Ihrem Gottesdienst keine Mordermittlung ansprechen?«
    »Verstehen Sie mich nicht falsch, aber nach dem schrecklichen Mord ist in der Gemeinde einiges durcheinandergeraten. Sie werden es nicht für möglich halten, aber die Kirche ist seitdem während des Gottesdienstes fast bis zum letzten Platz gefüllt und ich hab kein gutes Gefühl dabei. Viele der Menschen gehören nicht zur Gemeinde. Ich fürchte, es steckt der gewisse Nervenkitzel, Gottesdienst in einer Mordkirche, dahinter.«
    »Ich glaub es nicht!«, entrüstet sich Stephan Mielke. »Die Menschen haben mittlerweile jede Form von Anstand verloren.«
    »Es sind nur wenige«, berichtigt der Pastor, »und vielleicht nehmen sie auch nur Anteil.«
    Urplötzlich ist es mucksmäuschenstill im Kirchenschiff. Der Oberkommissar blickt Hilfe suchend zu seinem Kollegen hinüber, der unbeweglich unter der Holzfigur des Apostels Johannes verharrt, die über seinem Kopf im Mauertorbogen auf einem Balken steht und zu der Triumphkreuzgruppe gehört. Swensen entgeht Mielkes Blick, er hängt nur stumm seinen Gedanken nach.
    Wir sollten nach dem Gottesdienst alle Personen, die aus der Kirche kommen, unauffällig fotografieren, rattert es durch seinen Kopf. Ist vielleicht gar nicht so abwegig, dass sich unser Mörder unter den fremden Leuten befinden könnte.
    »Wir werden alles tun, damit die Mordfälle bald aufgeklärt sind«, kehrt der Hauptkommissar aus den Überlegungen zurück. »Trotz der unschönen Umstände sind wir für ihre Mithilfe dankbar, Pastor Kleuker. Wir lassen Ihnen von dem Foto einige …«
    Mit einem lauten Geräusch wird die Kirchtür geöffnet. Eine hagere, hochgewachsene Gestalt mit zahlreichen Mappen unter den Armen trottet herein und ruft dem Pastor zu: »Moin, Moin, Pastor Kleuker! Sie haben hoffentlich nichts dagegen, wenn ich ein wenig übe?«
    »Ist schon gut, fangen Sie ruhig an«, ruft der Kirchenmann zurück. »Wir sind hier sowieso gerade fertig.«
    »Ist das Ludwig Thiel?«, fragt Swensen.
    »Ja«, bestätigt Kleuker, »Sie kennen Herrn Thiel?«
    »Herr Thiel ist Organist in Witzwort, oder?«
    »Herr Thiel spielt auch in Osterhever und noch in vielen anderen Kirchen. Eiderstedt ist klein, es gibt nicht so viele gute Organisten hier, erst recht keine, die in der Nähe wohnen.«
    »Wir würden gerne noch mit Herrn Thiel reden, bevor wir gehen«, unterrichtet der Hauptkommissar den Kirchenmann. »Also, auf Wiedersehen Herr Pastor.«
    »Grüß Gott, Herr Swensen, Grüß Gott, Herr Mielke. Ich höre von Ihnen?«
    »Selbstverständlich«, sagt Swensen und steigt über eine schmale Treppe zur Empore hinauf. Mielke folgt ihm. Der Organist schaltet gerade das Gebläse der Orgel ein, das die Windlade mit Luft versorgt, zieht eines der Register, drückt auf die Klaviatur und tritt das Fußpedal. Ein tiefer Basston bringt die Magengegend der beiden Beamten zum Vibrieren.
    »Herr Thiel, wir würden gerne kurz mit Ihnen sprechen«, versucht Swensen das Klangvolumen der Orgelpfeife zu überbieten.
    Der Organist erschrickt und schaut, als wäre er ertappt worden, durch die dicken Gläser seiner Brille auf die beiden Männer.
    »Die Husumer Polizei? Was … was machen Sie denn hier?«
    »Im Moment interessieren wir uns für Orgelmusik«, antwortet der Hauptkommissar spöttisch. »Ist es eigentlich schwer, solch ein großes Instrument zu bedienen, Herr Thiel?«
    »Es ist schon eine Herausforderung«, erklärt der Organist völlig ernst, ohne auf den Unterton des Kriminalisten einzugehen. »Es ist ein ziemlich träges Instrument. Je nach Bautechnik liegen unterschiedliche Verzögerungen zwischen einem Tastenanschlag und dem Erklingen eines Tons. Man muss sozusagen immer etwas früher spielen, um diesen Unterschied auszugleichen. Deswegen braucht es viel Übung, möglichst auf vielen unterschiedlichen Orgeln. Hier auf Eiderstedt gibt es zum Glück viele Kirchen dicht beieinander.«
    »Und Sie spielen alle Orgeln?«
    »Ja klar, jede Orgel hat ihren speziellen Reiz!«
    Swensen

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