Eidernebel
hinunter und biegt nach links. Er stoppt vor dem Schlagbaum. Ein Wachsoldat kommt an das Seitenfenster, während Mielke es herablässt.
»Kriminalpolizei Husum«, sagt Mielke und hält seinen Ausweis hoch. »Wir müssen unbedingt zu Feldwebel Giese vom Flugabwehrraketengeschwader 1. Der müsste heute im Dienst sein!«
»Eine Moment bitte, ich werde mich erkundigen«, sagt der Soldat und geht zum Wachhäuschen hinüber, um mit einem anderen Soldaten zu sprechen. Auf der anderen Seite des Eingangsgeländes steht im Licht einer Bogenlampe ein Patriot-Trägersystem für Lenkflugraketen. Stephan Mielke trommelt nervös auf dem Lenkrad.
»Warum bist du eigentlich nicht stutzig geworden, dass die Vermisste bei Libo angestellt war?«, fragt Swensen plötzlich. »Im letzten Fall hat die Ermordete auch bei Libo gearbeitet. Das ist doch auffällig.«
»Ist mir auch aufgefallen. Aber ihr Mann hat bei der Vermisstenanzeige angegeben, dass man ihr an dem Tag, an dem sie verschwunden ist, gekündigt hatte. Da hab ich keinen Zusammenhang mit unseren Mordfällen gesehen. Ich dachte, sie hätte Angst vor der Auseinandersetzung mit ihrem Mann und wäre einfach nur abgehauen.«
»Gekündigt?«
»Ja, fristlos gekündigt. Soll in die Kasse gegriffen haben, hat mir der Filialleiter am Telefon gesagt.«
»Da ist doch was faul, Stephan, oder?«
»Seh ich auch so, im Nachhinein wirkt das alles ziemlich merkwürdig.«
»Ich denke, die Libo-Filiale Husum wird demnächst einen Besuch von uns bekommen.«
Mit zackigen Schritt tritt der Wachsoldat wieder ans Seitenfenster und meldet: »Sie können hier warten. Feldwebel Giese kommt gleich zu Ihnen.«
Keine fünf Minuten später braust ein Jeep heran und bremst mit quietschenden Reifen hinter dem Schlagbaum. Ein Mann springt heraus und eilt an dem salutierenden Wachsoldaten vorbei auf den Dienstwagen der Kripobeamten zu. Swensen mustert die stattliche Gestalt von oben bis unten, nachdem er ausgestiegen ist. Der Mann im Kampfanzug mit Tarnmuster hat einen dunklen Teint, schwarze, kurz geschnittene Haare und die Figur eines Leistungssportlers, breite Schultern, über eins achtzig groß.
»Geht es um meine Frau?«, fragt er mit unbewegtem Gesicht.
Mielke nickt, bekommt aber plötzlich kein Wort heraus.
»Es gibt keine guten Nachrichten, Herr Giese«, steht Swensen dem Kollegen zur Seite.
Das Gesicht des Feldwebels versteinert. »Ist sie tot?«, fragt er knapp.
»Es tut mir sehr leid«, sagt Swensen.
»Selbstmord?«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Weil man sie verdächtigt hat, Geld gestohlen zu haben.«
»Wo soll sie Geld gestohlen haben?«
»Bei Libo, sie hat hier in der Husumer Filiale gearbeitet. Ich war bereits da und hab mit dem Leiter geredet, diesem miesen Typen. Der hat meiner Frau fristlos gekündigt, weil sie Geld aus der Kasse genommen haben soll. Ich hab den ganzen Laden zusammengebrüllt. So ein Schwachsinn, meine Frau hätte nie etwas gestohlen. Die wollten sie nur loswerden.«
»Und Sie glaubten, dass sie sich deshalb umgebracht haben könnte?«
»Ja, ich hab darüber nachgedacht, dass sie das vielleicht nicht verkraftet und eine Kurzschlusshandlung begangen hat.«
»Es tut mir leid«, wiederholt Swensen, »aber ich muss Ihnen mitteilen, dass Ihre Frau ermordet worden ist.«
Das Gesicht des Feldwebels bleibt ohne jegliche Gefühlsregung und er sagt lange Zeit kein Wort.
»Hatte Ihre Frau irgendwelche Feinde?«, fragt Stephan Mielke endlich.
»Feinde? Was für Feinde?«, antwortet der Mann, als würden seine Worte von jemand anderem gesprochen.
Der Oberkommissar bemerkt, dass seine Wortwahl im Angesicht eines Soldaten nicht gerade geschickt war und versucht die Situation zu entschärfen: »Ich meinte, könnte es jemanden geben, mit dem Ihre Frau, von diesem Filialleiter einmal abgesehen, Probleme gehabt hat?«
»Wissen Sie, wer das gemacht hat?«, fragt der Feldwebel abwesend, ohne auf Mielkes Frage einzugehen.
»Nein, noch nicht, Herr Giese. Deshalb müssen wir Ihnen diese Fragen stellen«, erklärt Swensen geduldig.
»Ich will meine Frau sehen!« Die Stimme des Feldwebels klingt wie ein Befehl.
»Wir werden Sie benachrichtigen«, sagt Swensen, »Sie müssen ihre Frau sowieso identifizieren.«
»Ich will sie sofort sehen!«
»Das ist keine gute Idee, Herr Giese«, versucht Mielke abzublocken. »Eine ermordete Person ist kein schöner Anblick. Ich rate Ihnen, damit zu warten.«
»Haben Sie diesen Mann schon einmal gesehen«, fragt Swensen und zieht die
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