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Eidernebel

Eidernebel

Titel: Eidernebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wimmer Wilkenloh
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Maria, ich muss mich hier mal einklinken«, unterbricht Think Big den Bericht von Maria Teske. »Wenn ich ganz ehrlich bin, hatte ich so was schon befürchtet. Eine Frau, die das Herz einer Ermordeten bekommen hat, das ist schon eine Story. Aber was du da erzählst, ist mir entschieden zu viel Spökenkram.«
    »Ich war selbst dabei«, protestiert Maria Teske vehement. »Die Frau war das erste Mal bei der Familie ihrer Spenderin. Sie wusste Dinge, die sie eigentlich nicht wissen konnte. Das bestätigt alles, was mir der Zellbiologe über Zellerinnerung gesagt hat, Theodor.«
    »Die Erinnerung einer Zelle! Stell dir mal so eine Schlagzeile vor! Solch ein Zeug glaubt uns doch kein normaler Mensch, Maria, und unsere Leser sind normale Menschen.«
    Plötzlich hängt ein bleiernes Schweigen im Raum. Keiner der Kollegen springt der Journalistin zur Seite. Nur das Trommeln von Think Big s Fingern auf der Tischplatte ist zu hören.
    »Wenn du diesen spirituellen Firlefanz weglässt, können wir über die Geschichte reden«, lautet das Angebot des Chefredakteurs.
    »Firlefanz, Firlefanz! Ich kann mir die Geschichte nicht so hinbiegen, wie sie dir am besten ins Konzept passt.«
    Das Klingeln des Telefons beendet den Streit abrupt. Think Big greift zum Hörer, gibt mehrmals ein lautes »Das ist nicht wahr« von sich und ist, nachdem er den Hörer wieder auf die Station gelegt hat, wie ausgewechselt.
    »Vergiss deine Zellerinnerung, Maria. Das ist im Moment überhaupt nicht mehr wichtig. In Uelvesbüll wurde die dritte ermordete Frau gefunden. In drei Stunden gibt es eine Pressekonferenz im Rathaus. Das machst du, Maria.«
     
    Der Journalistin schnürt sich der Hals zu, als sie an die unwirkliche Szene während der Themenkonferenz denken muss. Und hinterher auch noch die Pressekonferenz der Husumer Kriminalpolizei, die jetzt auch schon zwei Stunden vorbei ist. Es ist bereits dunkel, als sie in Witzwort ankommt. Sie kann direkt vor dem kleinen Reetdachhaus parken. Nervös klingelt sie an der Haustür und eine mittelgroße Frau mit roten, schulterlangen Haaren öffnet die Tür.
    »Hallo, Frau Teske, ich bin Frau Diete, kommen Sie bitte rein«, sagt sie und führt sie in einen schlichten Raum, in dem nur wenige Möbel stehen. »Sie können in diesem Sessel Platz nehmen«
    Auf einem kleinen Beistelltisch brennt eine weiße Kerze. Die Deckenbeleuchtung ist leicht herabgedimmt. Erst nach ein paar Minuten registriert die Journalistin, dass Frau Diete ihr ganz ruhig gegenüber sitzt und anscheinend keine Eile hat, ein Gespräch zu beginnen.
    Irgendetwas muss ich jetzt wohl sagen, denkt sie, und allein der Gedanke lässt ihr Herz wieder spürbar schneller schlagen. Da erlöst die Therapeutin sie aus der beginnenden Anspannung.
    »Sie haben mir ja schon am Telefon ein wenig berichtet, warum Sie ein Beratungsgespräch möchten. Vielleicht mögen Sie mir einfach erzählen, wie es Ihnen in den letzten Tagen ergangen ist, worunter Sie im Moment leiden.«
    »Ja, ich hab ständig ein unerklärliches Herzrasen und manchmal auch so was wie Panik. Gerade letzte Nacht hab ich die ganze Nacht nicht geschlafen.« Maria Teske atmet tief durch und fährt fort: »Ich war auch schon bei meinem Hausarzt. Der hat alles untersucht und überhaupt nichts festgestellt, also … also ich bin kerngesund … und trotzdem hab ich unentwegt diese Beschwerden.«
    »Erst mal hört sich das so an, als wenn Sie große Angst haben. Seit wann ist das so?«
    »Im letzten Jahr wäre ich beinahe ermordet worden«, platzt es aus der Journalistin heraus. Sie zieht ihre Schultern zusammen und fängt völlig unvermittelt an zu schluchzen.
    »Entschuldigung, das tut mir leid«, sagt sie mit zittriger Stimme. »Ich weiß gar nicht, was los ist, das ist mir noch nie passiert.«
    »Haben Sie diesen Satz vorher schon einmal so ausgesprochen?«
    »Nein, also … ich hab das schon ganz häufig so gedacht …, aber irgendwie hab ich das immer mit mir abgemacht. Es ist ja auch gar nichts passiert.«
    »Wenn Sie mögen, erzählen Sie mir doch bitte von Anfang an, was da im letzten Jahr passiert ist.«

August 2003
    Das Gewitter hatte sich bereits den ganzen Tag über angekündigt. Es war drückend schwül gewesen, die Luft hatte wie Blei auf seinen Schultern gelegen. Anstrengende Bedingungen für einen Ermittlungstag am Telefon. Swensen hat Kopfschmerzen, als er spät am Abend den Computer herunterfährt. Draußen vor der Tür der Inspektion ist der Himmel mit einer pechschwarzen

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