Eidernebel
sind mein persönliches Topthema, alles andere steht hintenan. Ich erwarte, dass du heute noch was Neues rüberschiebst.«
»Gestern hab ich den Ehemann des letzten Opfers getroffen«, beginnt die Journalistin. »aber das war eher eine schwierige Angelegenheit. Ich hab keinen richtigen Draht zu dem gekriegt. Unangenehmer Mensch, Soldat – Feldwebel, und unterschwellig extrem aggressiv. Das hat er auch schon in Natura bewiesen.«
»Wieso, hat der dich bedroht?«
»Nein, nicht mich persönlich, aber den Filialleiter von Libo in Husum, schon zweimal.«
»Das hat er dir erzählt?«
»Nein, ich war vorher schon bei diesem Libo-Typen gewesen. Der hat mir erzählt, dass dieser Giese in den Markt gestürmt ist und ihn für den Tod seiner Frau verantwortlich gemacht hat.«
»Hört sich ziemlich merkwürdig an. Wie kommt der Mann denn darauf? Hat er dir das auch gesagt?«
»Nein, aber ich hab mir nach Feierabend eine der Kolleginnen seiner Frau geschnappt. Die hat mir unter der Hand gesteckt, dass man Frau Giese fristlos gekündigt hat, weil sie in die Kasse gegriffen haben soll.«
»Das wird ja immer verrückter!«
»Es kommt noch besser, Theodor. Die Frau meinte nämlich, die Kündigung wäre nur eine vorgeschobene Sache gewesen. Man hat ihr wohl eher gekündigt, weil sie einen Betriebsrat gründen wollte. Da haben in mir alle Alarmglocken geläutet. Ich bin gleich zum Libo-Markt in Friedrichstadt gefahren. Und Bingo! Das Mordopfer, das dort gearbeitet hat, wollte kurz vor ihrer Ermordung auch einen Betriebsrat gründen. Das kann kein Zufall sein, oder?«
»Das hört sich nach ’ner heißen Story an, Maria. Da sollten wir was draus machen«, jubelt der Chefredakteur und taxiert seine Mitarbeiterin. »Muss allerdings Hand und Fuß haben, das Ganze! Wenn die Rechtsanwälte von Libo irgendeine Ungereimtheit finden, zucken die nicht lange mit der Wimper, um uns mit einer Klage zu überziehen. Also, nicht zu weit vorpreschen, aber hart am Ball bleiben. Ich gebe dir 80 Zeilen, zweispaltig. Bau auf alle Fälle die Aussage der Kollegin mit ein! Schaffst du das bis 18 Uhr?«
»Klar, ich setzt mich gleich ran«, bestätigt Maria Teske.
Schon während sie das Büro von Think Big verlässt, wühlt der bereits wieder seine Papierstapel durch. Die Journalistin macht einen kurzen Umweg vor die Tür, raucht hastig ein Zigarillo und sinniert bereits über eine Schlagzeile nach. Mord beim Discounter! Kauft der Kirchen-Mörder bei Libo? Betriebsrat, und du bist tot?
Alles Bullshit!
Maria Teske tritt die Kippe aus, kehrt an den Schreibtisch zurück und ruft QuarkXPress auf. Die Digitalseite auf dem Bildschirm leuchtet fordernd auf, weiß und leer. Sie versucht den ersten Satz zu formulieren, doch die Worte lassen sich nicht zusammenfügen. Dafür drängt sich ihr das Bild der schmächtigen Frau vor Augen. Sie sieht sich mit ihr neben einem Glascontainer stehen, etwas abseits von der Libo-Filiale, und nimmt wahr, wie sie verlegen an ihrem Pferdeschwanz zupft.
»Manchmal standen die hier schon kurz vor sechs auf dem Parkplatz«, beginnt die Frau zögernd und blickt immer wieder angespannt zum Supermarkt hinüber, »hockten geduckt in ihren Nobelkarossen, um uns zu kontrollierten, ob wir auch wirklich pünktlich anfangen.«
»Kannten Sie die Personen?«
»Klar, kannten wir die! Nicht … nicht persönlich natürlich! Aber das waren echte Jungspunde, direkt aus der Zentrale. Dorit hat die förmlich gerochen. Zernitz heißt der eine, das ist der Chef und sein Stellvertreter heißt Hähnle.«
Die Frau stockt. Eine einsame Träne läuft ihr die Wange herunter.
»Ich glaube, die hatten Dorit besonders im Visier, erst recht nachdem rauskam, dass sie einen Betriebsrat gründen wollte.«
»Sie sind nicht gut zu sprechen auf die Herren, oder?«, fragt Maria Teske provozierend. Die Frage sitzt auf den Punkt, triumphiert sie innerlich. Die Augen der Frau haben geblitzt, die ist bis oben voll mit aufgestauter Wut.
»Das sind Sklavenhändler, alle miteinander! Wir haben hier nur zu funktionieren. Seit der letzten Kontrolle darf ich nur noch langärmlige T-Shirts tragen, damit die Kunden mein Tattoo nicht sehen. Lange Ärmel, im Sommer! Die haben auch unseren Kretschmer eingenordet, garantiert. Jedenfalls wurde Dorit danach vom Chef noch mehr schikaniert!«
»Wer ist Kretschmer?«
»Unser Filialleiter Jürgen Kretschmer. Für mich ist der noch schlimmer als diese Bluthunde, ein echt sexistisches Arschloch. Dorit hat mir oft
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