Eiertanz: Roman (German Edition)
hierher auf die improvisierte Sperrmüll-Bühne gelangt war, konnte ich nicht mehr ganz nachvollziehen, alles war plötzlich so schnell gegangen: Julia, die mir um den Hals fiel, nachdem ich Sturm geklingelt hatte, mich um Verzeihung bat, aber kaum zu Wort kam, weil ich nicht aufhören konnte, mich zu entschuldigen. Unsere tränenreiche Aussprache, die hochwillkommene Dusche und ein Frühstück, serviert von einem immer noch vom Erfolg seiner Haxe verzückten Lutz. Ein Strafantrag, getippt und ausgedruckt in Thereses Laden, von mir ganz offiziell zur Polizei gebracht.
Als ich zurückkam, war das Fest schon in vollem Gang. Am See fand eine groß angelegte Aktion der Tauchschule statt: Schnupperschnorcheln und Surfen. Inmitten der fächelnden Schnorchelschüler stand diesmal Hartl, in einem ärmellosen Neoprenanzug. Erst in diesem Moment fiel mir auf, dass ich ihn seit gestern Vormittag nicht mehr gesehen hatte. War er vielleicht krank? Er wirkte blass und hatte Flecken am Hals, ich sah es nur aus dem Augenwinkel, strebte an ihm und an Quirin vorbei, der seine Angeberschwimmbrille trug und gerade einer älteren Touristin auf ein Brett half. Alle Stände im Sperrmüll waren besetzt: Die Nail-Art-Metzgerin versuchte es mit einem Brotzeit & Haircut-Angebot – Fleischpflanzerln auf Semmeln inklusive Schnitt mit Föhnen –, Franzi erfreute sich ihrer zahlreichen Kundschaft, und Nat Wildmosers Chor sang sich mit einem soften »Tears in heaven« ein. Vom Haus her duftete es nach Haxe, deren Wirkung sich wie rasend herumgesprochen haben musste. Der Ansturm Probierwilliger war riesig, und mir blieb nichts anderes übrig, als meine Abreise wenigstens um einige Stunden zu verschieben und Julia beim Servieren zu helfen.
Zwischen erster und zweiter Haxe des Tages erfolgte endlich Thereses großer Moment: Unter den feierlichen Klängen von »Give peace a chance« hielt das Polizeiauto auf dem Parkplatz, und die Polizisten schritten auf Therese zu.
»A geh, ihr Buam, ihr seids ja vui z’ jung. Wissts ihr überhaupt, wos des war, damals in Wackersdorf?«, rief Therese, als ein Polizist mit Ziegenbärtchen und Aknepickeln die Kette aufsägte. »Des war no a Widerstand, des könnts glauben! I bin a bissl schwerer geworden seitdem, das Leben hinterlässt halt Jahresringerl. Des werdets a no erfahren, ihr Buam!«
Die Essenden und Feiernden applaudierten mäßig, als sie Therese zu zweit zum Polizeiauto schleppten, wo der Einsatzleiter eine Weile auf sie einredete, um sie gleich darauf wieder freizulassen. Sofort danach brach hektische Aktivität aus. Therese und Julia stellten Kleiderständer auf, trommelten die Models zusammen.
»Gina, Süße, das ist mein großer Moment, du musst mitlaufen!« Hier, auf der behelfsmäßigen, wackligen Bühne erinnerte ich mich verschwommen daran, wie Julia mich zur Seite genommen und ins Haus gezogen hatte.
»Für einen Reißverschluss reicht es nicht mehr, atme halt die nächste Stunde ein bisschen flacher. Oh Gott, es ist so toll geworden! Du siehst einfach phantastisch aus!«
Das Aufleuchten in Quirins Augen, als er mich sah. Und sein fassungsloser Blick, als er mich genauer betrachtete.
Um uns drängte sich die Menge. Therese hatte sich das Megaphon der Polizisten geliehen, verkündete, dass jetzt eine große Show stattfinden werde, die Modenschau des Ladens, der eine Gewerbeerlaubnis für Kleider und Kurzwaren habe, nicht nur für Döner. Vom Rand der Bühne feuerte Julia uns an: »Erobert euch den gesamten Raum, auch die Sofas! Laufsteg war gestern! Nutzt alles, was ihr seht!«
Inzwischen war auch die Blaskapelle wieder eingetroffen. Nat Wildmosers Männer stampften und gluckerten, hatten sich auf »Highway to hell« eingeschossen, sangen heldenhaft gegen die Walzerbegleitung des wieder auferstandenen Akkordeonspielers an, und wir befreiten unsere Kundalini, eroberten uns tanzend den Raum.
»Schöne Nacht gehabt, Frau Zuhlau?« Ich spürte Quirins Arm an meiner Taille, vorsichtig, wegen dem, was von meinen Hüften in alle Richtungen abstand und jederzeit platzen konnte. Warum musste er ausgerechnet mit mir laufen, warum hopste er nicht mit seiner Freundin herum?
Susn hatte schon ein Sofa erstürmt, tanzte im Hochzeitsdirndl und hochhackigen Schuhen auf quietschenden Federn. Der Schleier saß perfekt auf ihren schwarzen Locken und flatterte mit jeder ekstatischen Wendung ihres Kopfes im Wind.
»Was gehen dich meine Nächte an?« Ich versuchte, mich seinem Arm zu entwinden, ging
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