Eifel-Bullen: Kriminalroman aus der Eifel (German Edition)
du in der Not!
Als cleverer Mensch hatte Rodenstock in seinem Arbeitszimmer eine Couch aufgestellt, um notfalls die müden Knochen in eine halbwegs anständige Haltung zu kriegen. Ich schielte dorthin und ergab mich der Versuchung. Ich wurde anderthalb Stunden später wach, dachte angestrengt einige Sekunden darüber nach, ob ich irgendetwas verkehrt gemacht hätte, und antwortete mit einem strengen Nein. Dann schlich ich die Treppe hinunter und hörte zu meinem Entsetzen, dass sie immer noch diskutierten.
Meine kluge Emma sagte gerade zu irgendwem: »Ich weiß nicht, ob du das richtig siehst. Was faselst du da von versunkenen Schuldgefühlen? Ihr seid ja viel schlimmer als ein Rudel freilaufender Psychiater ...«
Ich dachte: Ihr könnt mich alle mal! und verschwand in die Abendluft. Ich erinnerte mich daran, irgendwo gehört zu haben, dass Thea und Günter Greif im
Kleinen Landcafé
in Kerpen an diesem Abend ein Jazzkonzert anboten: Edith van den Heuvel und Dany Schwickerath würden auf der Bühne stehen, erinnerte ich mich. Also fuhr ich hin.
Musik kann sehr tröstend wirken, Musik kann heilen, Musik kann sogar helfen, Menschen zu verstehen. Und ich war selig, als die beiden eine äußerst harmoniereiche und zugleich zeitlose Variante von
Honey Suckle Rose
brachten. Eine herausragende weibliche Stimme und eine brillant konzertante Gitarre mit dieser Nummer waren genau das, was mir half. Der Song hatte alles, von Traum bis hin zum harten Beat, und sie spielten es auch so. Jesus, war das gut! Sie hatten kein Schlagzeug, aber der Swing kam überwältigend und trieb die Harmonien. Ich soff Musik, und wenn ich ehrlich sein will, wurde mir der rätselhafte Marcus Straubing in diesen zwei Stunden vollkommen gleichgültig, und ich dachte auch nicht an die Toten, wohl weil ich lebte.
Ich sah dann auf meinem Handy, dass Rodenstock zweimal angerufen hatte, Tessa sechsmal, Emma einmal. Es war elf Uhr in der Nacht und ich fuhr heim. Ich war hundemüde und sehr heiter gestimmt. Ich erzählte meinem Kater in groben Zügen, wie mein Tag verlaufen war, und er schaute mich äußerst interessiert an, dachte aber wohl: Was redet der für einen Stuss? Er soll mir ein Stück Fleischwurst geben. Wir aßen also jeder ein Stück Fleischwurst, ehe wir schlafen gingen, Satchmo auf einer Decke im Wohnzimmer, ich in meinem Bett. Natürlich kam er nach einer Stunde hoch in mein Schlafzimmer und verharrte zornglühend auf dem Teppich vor dem Bett, bis ich wach wurde. Er starrte mich unausgesetzt an: Wie ich es denn wagen könnte, ihn allein zu lassen? Katzen sind zuweilen sehr menschlich.
Kurz nach sieben Uhr wachte ich auf und fühlte mich gut. Ich machte mir einen Kaffee und aß ein Stück Brot. Es war neblig, das Licht war ein wenig bläulich. In den Häusern meiner Nachbarn waren schon einige Fenster hell, ein neuer Tag brach an, irgendeine neue Aufgabe stand vor ihnen, sie würden sie angehen und dabei hoffentlich ein Lied pfeifen können.
Was bedeutete es denn, wenn der Unternehmer Marcus Straubing und der tschechische Puffbesitzer Mirko Slavic sich kannten? Machten sie Geschäfte miteinander? Wenn ja, welche Geschäfte? Hatte Slavic Geld in das Unternehmen
Holz International
gesteckt? Hatte Straubing sich bei Mirkoboy eingekauft? Geld stinkt nicht, hatten die alten Römer begriffen, und wahrscheinlich alle Kulturen vor ihnen auch schon.
Pecunia non olet
, so hieß der siegreiche, ewig währende Schlachtruf des Kapitalismus. Warum also nicht eine enge wirtschaftliche Verbindung zwischen Straubing und Slavic? Hatten Gaby Schirmer und Horst Walbusch genau das entdeckt?
Rodenstock rief an und schnauzte ohne jede Erklärung los: »Hast du was gesagt?« Seine Stimme war schrill.
»Was soll ich gesagt haben?«
»Sei ehrlich, du hast was gesagt!«
»Was soll das denn jetzt? Ich weiß nichts, wovon redest du?«
»Das ist doch der helle Wahnsinn, diese gottverdammten Schwätzer! Irgendeiner hat geredet, deine Branche hat Wind bekommen. Jetzt fragen sie nach der Verbindung zwischen den zwei toten Polizisten und Marcus Straubing und dem Gangster Mirko Slavic. Und sie gehen weiter und fragen nach der Verbindung zwischen Straubing, Mirkoboy und Samba. Es ist zum Kotzen. Hast du mit irgendjemand darüber gesprochen? Hast du?«
»Rodenstock, hör auf, mich anzubrüllen. Du weißt doch, dass es Polizeibeamte gibt, die von diesen Ereignissen gegenüber Vertrauten, also der eigenen Familie oder Freunden berichten. Und die Vertrauten kennen dann
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