Eifel-Connection
eine zufriedene Hausfrau und fuhr dann die Wacholderheide über Wiesbaum an, weil ich ihn und seine Herde von dort aus am besten sehen konnte.
Gerrit war fünfundvierzig Jahre alt, knorrig, wettergegerbt, ein sachlicher Typ mit grauem Haar und hellen, aufmerksamen Augen. Er stand wie immer leicht vornübergebeugt, mit beiden Händen an dem Hirtenstab, den er fest in die Erde vor sich gerammt hatte. Aufmerksam über seine Tiere blickend sagte er: »Bleib in deiner Karre, die ist wenigstens warm. Hast du alles?«
»Alles.«
Er gab den drei Hunden irgendwelche Befehle, die zu verstehen ich vor Langem aufgegeben hatte, zog dann seine Ölhaut aus, legte sie auf die Rückbank und kam zu mir auf den Nebensitz.
Er griff als Erstes zu den Zigaretten, ehe er fragte: »Was willst du?«
»Auskunft über einen Bauern namens Jaax, Sebastian Jaax. Wie steht der da? Große Familie? Finanziell? Alles eben.«
»Warum denn?«
So eine Frage gefiel ihm nicht, eine Frage, die darauf aus war, irgendetwas über Dritte zu erfahren, die keine Chance haben, sich selbst zu äußern. Für Eifeler mit Charakter ist das Gerücht ein schlimmes Spiel.
Weil es überhaupt keinen Sinn hatte, ihn im Unklaren zu lassen, sagte ich die reine Wahrheit. »Da ist jemand gestorben. In einem Mercedes. Er stand oberhalb des Hofes von Jaax auf der Wiese …«
»Klar, habe ich gehört, redet jeder drüber. Wer war das?«
Ich sagte es ihm und reichte ihm eines der Fotos an, die ich gemacht und ausgedruckt hatte. Und ich sagte ihm auch, dass es ein Rätsel sei, warum dieser Bleckmann aus Köln ausgerechnet zu diesem Punkt gefahren sei. »Also, er steht da oben und stirbt. Um da hinzukommen, muss er runde achthundert Meter einer schmalen Straße und den noch schmaleren Wiesenweg hinter sich bringen. Ich nehme an, dass ihn irgendetwas mit diesem Bauern verbindet. Dann stirbt er, die Polizei sagt: plötzlicher Herztod.«
»Vielleicht hat er die Panik gekriegt, vielleicht hat er gemerkt, dass es zu Ende geht, vielleicht ist er einfach in Panik da oben hingefahren und dann gestorben?«
»Kann sein. Ist aber unwahrscheinlich. Logischer wäre es gewesen, er gibt Vollgas und versucht, das nächste Krankenhaus anzufahren. In Daun zum Beispiel. Warum ruft er nicht um Hilfe? Er hat doch ein Handy, er hat sogar eine Freisprechanlage, er braucht bloß einen Knopf zu drücken.«
»Und vergiftet worden ist er nicht?«
»Nein, wohl nicht, wird aber noch untersucht. Kennst du diesen Punkt, diese Wiese da oben? Warum fährt er ausgerechnet dorthin? Deshalb die Frage: Wer ist dieser Jaax?«
»Hat achtzig oder hundert Rinder, macht den klassischen Milchbetrieb. Nichts Besonderes. Keine Familie, nur eine Ehefrau. Ein wilder Feger, heißt Klara. Beide sind Anfang, Mitte vierzig, würde ich mal sagen. Haben keine Kinder, soweit ich weiß.«
»Moment, Moment. Eine Bäuerin ein wilder Feger?«
»Na ja, was man sich so darunter vorstellt. Also Karneval und so. Eine wilde Hummel eben, nichts Besonderes, vielleicht nur lebenslustig.«
»Und der Mann? Wie ist der?«
»Sehr langsam, sehr bedächtig, sehr solide, also nichts Auffallendes, um Gottes willen. Sie ist der Feger, und er ist der Gutmütige, der ihr zuguckt. So würde ich das mal ausdrücken.«
»Was passiert, wenn sie in Rente gehen? Verkaufen sie den Hof?«
»Ja, nehme ich an. Obwohl das verdammt schwer ist. Wer kauft heute einen Hof, wer will noch Landwirt sein? Die pfeifen doch sowieso alle aus dem letzten Loch. Man sagt, das ist die sicherste Branche, um gegen das Lebensende hin einen Offenbarungseid hinzulegen. Nicht schön, aber ist so.«
»Gibt es Gerüchte um diese Leute?«
»Na ja, es ist mal gesagt worden, sie wollten nach Neuseeland auswandern. Aber so was wird von Zeit zu Zeit von allen möglichen Leuten behauptet. Immer ist es Kanada, oder Neuseeland, auch schon mal Brasilien. Aber so was hört man eben von Zeit zu Zeit. Und mancher wird auch so denken, aber sie tun es nie. Sie bleiben hier und melden die Pleite an.«
»Was wollen denn diese Leute in Neuseeland?«
»Schafe züchten«, grinste er. Dann setzte er energisch hinzu: »Ich muss jetzt was essen.«
»Neuseeland«, murmelte ich. »Nicht zu fassen.«
Das erste Brötchen knackte, dann knackte die erste Gurke, dann rauchte er zwischendurch, dann knackte das nächste Brötchen, er machte sich richtig Arbeit.
»Weißt du, es ist so!«, verkündete er mit vollem Mund. »Die Leute machen ihr Leben lang den ganzen Irrsinn der Subventionen aus
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