Eifel-Connection
Tränen in den Augen, dann ziemlich besoffen, dass er kein Weihnachtsgeld zahlen könne. Das muss man sich mal vorstellen: Er heulte ins Mikrofon …«
»Das ist doch rührend«, warf Emma ein. »Ein echter Sozialromantiker.«
»Er hat das ja im Jahr darauf auch wieder gutgemacht und sogar Zulagen gezahlt und Boni und so weiter. Da beißt die Maus keinen Faden ab.«
»Wenn ich das richtig verstehe«, sagte ich, »dann hat Glatt Ihren Mann ins Geschäft genommen, weil das frisches Kapital bedeutete?«
»Ja, korrekt. Also, Norbert ist glatte Zwanzig wert bei den Banken. Aus dem Stand. Also, sie haben richtig losgelegt. Erst das Anzeigenblättchen, dann die Kerzenfabrik und dann diesen Hersteller von künstlichen Blumen. Sie schluckten auch noch eine Schuhfabrik - die vierte, soviel ich weiß. Da war richtig was gebacken. Die beiden waren richtig gut unterwegs. Und das war eigentlich gut für meinen Norbert, weil er endlich noch mehr reisen konnte. Reisen liegen ihm.«
»Wieso denn reisen?«, fragte ich. »Das verstehe ich nicht.«
»Na ja, sie haben ja die ganze Sache international ausgerichtet. Also, der Blumenhersteller sitzt ja in Thailand, unheimlich günstige Arbeitsbedingungen wegen der vielen Kinder. Und der Kerzenhersteller sitzt in Pakistan und hat auch gute soziale Bedingungen, weil da Arbeitsplätze fehlen, und du gut mit ungelernten Arbeitern arbeiten kannst. Das Ganze muss ja auch Sinn machen, wenn du international unterwegs sein willst.«
»Wo sitzen denn die Lampenhersteller, die Glatt aufgekauft hat?«, fragte ich.
»Also, die liegen im Sauerland und im Bergischen Land, es sind zwei Hersteller mit drei Fabriken.«
Genau jetzt hielt ich den Moment für angebracht: »Kennen Sie diese Frau?«, fragte ich und legte das Foto der toten alten Frau vor sie hin.
Sie nahm das Foto und sah es lange an. »Nein, nie gesehen. Kenne ich nicht. Wer ist das? Die sieht irgendwie leblos aus.«
»Sie ist tot«, bemerkte Emma beinahe vergnügt.
»Kennen Sie diesen Mann?«, fragte ich weiter und legte ihr das Foto vom Geologen Christian Schaad vor.
»Den kenne ich, den habe ich gesehen. Aber, warten Sie mal, wo war das? Ich weiß, ich hab den schon mal gesehen. Jetzt habe ich es wieder! Der war bei Glatt. Also, er saß im Vorzimmer in einem Sessel. Aber was er da wollte, weiß ich nicht. Das ist ja einer zum Knutschen. Das habe ich gedacht, als ich ihn sah.« Und dann lächelte sie, weil sie eine Tochter Kölns war, und weil letztlich bei ihr immer das Leben siegen würde, egal, was um sie herum geschah.
»Der zum Knutschen ist auch tot«, bemerkte Emma. »Kann ich noch ein Sektchen haben?«
»Aber sicher doch«, sagte sie und goss ein.
»Eine Frage, die mir wichtig ist«, murmelte ich. »Gibt’s jemanden, der Ihren Mann aus ganzem Herzen gehasst hat?«
»Da gibt es ein paar«, nickte sie sofort. »Also, das sind Leute, die Konkurrenten waren, die er ausgeknipst hat.«
»Und wie er sie ausknipsen konnte, war ihm egal?«, fragte Emma.
»>Das Leben ist hart<, sagte er immer. >Da draußen ist Krieg.<«
»Gab es einen richtig miesen Fall?«, fragte ich.
Sie schüttelte erst den Kopf, dann hielt sie ihn gesenkt und überlegte. »Einmal zog er ein Ding durch, da habe ich gesagt: Das geht aber nicht! Das war ein junger Mann, der eine schöne Frau hatte. Dieser Mann war richtig gut, als Kaufmann, meine ich. Und Norbert hat gespürt, dass er nur über die Frau an ihn herankonnte. Also hat er eine Falle gestellt, und die Frau ist reingetappt. Es ging um ein One-Night-Stand irgendwo an der Ostsee. Die Frau war betrunken, die Frau wurde beim Geschlechtsakt fotografiert, der Ehemann hat die Fotos gekriegt. Der bekam einen Rappel, er flippte aus, er machte einen Fehler nach dem anderen, und Norbert schickte ihm rote Rosen. Das machte er immer, wenn er einen Konkurrenten abhängte. Jetzt weiß ich es wieder, es war auf Rügen. Und ich weiß auch wieder, um was es ging: Es ging um zwei Container erstklassiges Krokodilleder, drei Millionen oder so.«
»Was haben wir denn jetzt bei Glatt?«, fragte Emma nachdenklich. »Wir haben vier Schuhfabriken, wir haben den Corpus Christi und alle Heiligen in allen Variationen, wir haben eine Lampenherstellung, wir haben die Herstellung von Kunstblumen, ein Anzeigenblatt, eine Kerzenfabrik. Wie wollen Sie da rauskommen?«
»Also, so stellt sich die Frage nicht. Die Frage lautet: Aus welchem Segment will ich raus, und wann will ich raus?« Jetzt war sie sachlich. »Warum soll ich
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