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Eifel-Feuer

Eifel-Feuer

Titel: Eifel-Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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dreihundert Metern Entfernung das Lebenslicht auspusten. Sie verstoßen im Augenblick gegen elementare Regeln, Sie sind, um es einfach zu formulieren, ein NonProfessional. Beeilen Sie sich, verdammt noch mal.«
    Flüsternd und mit grauem Gesicht sagte Mehren: »Also, es waren insgesamt 167 Seiten DIN A4, durchlaufend numeriert. Der Titel lautete Greybird, also grauer Vogel. Die entscheidende Seite war die Seite 92. Auf dieser Seite war ein zwischen zwei Funktelefonen abgehörtes Gespräch dokumentiert. Im Klartext, unverschlüsselt. Einer der Teilnehmer sprach deutsch. Er sagte: ›Wir machen es in drei Tagen an der Brücke.‹ Keiner von uns hat begriffen, was das hieß.«
    »Wo ist diese Seite?« fragte Rodenstock.
    »Das weiß ich nicht. Der General muß sie gesehen haben, aber nicht bei uns.«
    »Wieso nicht?«
    »Weil ich das Material persönlich zu Frau Zimmer gebracht habe. Die Seite 92 wurde mir quittiert, sie war dabei. Frau Zimmer gab das Material einem Eilboten des Dienstes in Pullach. Als der Mann in Pullach ankam, fehlte die Seite 92.«
    »Was bedeutet das alles?« fragte Rodenstock. »Was meinen Sie persönlich?«
    Er neigte den Kopf und sprach hinunter auf den Asphalt. »Das bedeutet, daß wir ein Gespräch abgehört hatten, in dem das Attentat auf Herterich geplant wurde. Ganz klar. Und das bedeutet, daß jemand das Protokoll verschwinden ließ, damit Herterich nicht überlebte.«

ELFTES KAPITEL
    Das also war es, was den General dazu gebracht hatte, sich an seinem Schreibtisch zu übergeben.
    Die Sonne stand wieder steil, der Asphalt unter meinen Füßen schien schwammig. »Werden Sie jetzt irgendwo erwartet?«
    Er sah mich an. »Nein. Mein Dienst beginnt erst heute abend. Ich habe Nachtschicht.«
    »Vermißt Ihre Frau Sie nicht?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich wohne nicht hier, ich wohne in Briedel an der Mosel. Meine Schwiegereltern sind Winzer. Ich habe meiner Frau gesagt, ich treffe heute nachmittag einen Kumpel.«
    »Hm«, sagte Rodenstock leise und schaute sich um. »Wie viele Leute außer Ihnen wissen von der Geschichte?«
    »Bei uns in der Kaserne niemand«, er klang sehr bestimmt. »Wir hören oft irgendwelche Gesprächsfetzen, die wir nicht zuordnen können. Sie werden trotzdem mitgeschnitten und ins schriftliche Protokoll aufgenommen. Es kann ja sein, daß der auftraggebende Dienst sehr wohl etwas damit anfangen kann. Es war eben eine der vielen NZZOs, niemand hat darauf geachtet, und ich wurde erst stutzig, als der General mich fragte, ob bei dieser Aktion etwas Effektives herausgesprungen sei. Ich war Offizier vom Dienst, ich mußte Seite um Seite abzeichnen. Ich erinnerte mich an die Seite 92 und erzählte ihm davon. Er sah mich an, wurde blaß und verschwand sofort. Seitdem habe ich ihn nicht mehr gesehen. Erst nach seinem Tod habe ich überlegt, was diese Nachricht bedeuten könnte.«
    »Was, bitte, ist NZZO?« fragte ich.
    »Das heißt einfach: nicht zuzuordnen. Beinahe hätte ich der Seite ein NW gegeben, was nicht wichtig heißt. Das hätte dazu führen können, daß der letzte Filter die Seite einfach rausschmeißt.«
    »Wer ist der letzte Filter?« fragte Rodenstock geduldig.
    »Ursula Zimmer, Oberregierungsrätin.«
    »Ich hätte gern etwas über das Prozedere der Abhöraktionen erfahren«, sagte ich. »Wie läuft so etwas genau ab, wer entscheidet was, wer legt die Ziele fest, wohin gehen die Dokumente, wer verfügt über deren Inhalt und so weiter und so fort.«
    »Das ist ziemlich einfach. Nehmen wir diesen Fall. Der Bundesnachrichtendienst bittet uns, einen bestimmten regionalen Abschnitt Ex-Jugoslawiens abzuhören, also alles zu registrieren, was wir abhören können. Diese Bitte wird schriftlich an das Amt für Fernmeldewesen gerichtet. Es kann sein, daß sie einfach einen Überblick über die gesamte Region verlangen. Es kann aber auch sein, daß sie eine bestimmte Einheit irgendeiner kriegsführenden Partei suchen. Es ist ebenfalls möglich, daß sie eine bestimmte Person suchen, von der sie glauben, daß sie sich im Krisengebiet aufhält. Klar?«
    »Das wäre also eine Definition des Zieles«, sagte Rodenstock. »Was für ein Ziel war im Fall Herterich gesetzt?«
    »Sie suchten eine Figur, eine Zielperson, und sie bezeichneten sie als ›Bruder‹. Die gesamte Aktion bekam den Namen Greybird, das sagte ich schon. Die Aktion sollte über zwei Wochen laufen. Uns wurde von diesem Bruder nur gesagt, daß er ein Handy benutzte, daß er deutsch sprach, durchaus tschechisch

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