Eifel-Feuer
haben keine dicke Brasil, wir haben nur eine dünne lange Brasil.«
»Das ist doch scheißegal«, schnaubte Rodenstock.
»Er meint es nicht so«, warf ich ein.
»Entschuldigung«, lächelte er.
Die Bedienung schaute ihn aufmerksam an. »Schon gut.«
An diesem Punkt machte jetzt Rolf Mehren einen entscheidenden Fehler. Er lächelte ein wenig überheblich, spielte weiter mit der Papierserviette und sagte halblaut auf das rosafarbene Tischtuch: »Sie sind aber sehr aufgeregt, Herr Rodenstock!«
Rodenstock bereitete sich auf den tödlichen Stoß vor, nickte sehr bekümmert und griff zu einem der ältesten Tricks aller Verhörspezialisten. »Sie haben ja so gottverdammt recht, Mehren. Wir kommen ohne Ihre Hilfe einfach nicht weiter. Wir wissen nicht mehr, wo in diesem Fall oben und wo unten ist. Wir wissen nur, Ihr Ziehvater ist tot, brutal ermordet. Es geht schließlich auch um sein Ansehen.«
Stille, durch die jetzt das Gemurmel der anderen Gäste drang. Eine Frau begann grell zu lachen, ein Baby in einem Buggy knötterte vor sich hin, jemand am Nebentisch räusperte sich und fragte: »Gehen wir heute abend baden?«
Mehren schreckte hoch, drehte schnell seinen Kopf, um festzustellen, ob irgendwer in diesem Raum Interesse zeigte. Niemand zeigte Interesse. Er sackte etwas in sich zusammen, wurde ein paar Zentimeter kleiner. »Es geht nicht«, sagte er ohne Ton.
»Es geht«, sagten Rodenstock und ich gleichzeitig.
»Aber nicht hier«, entgegnete er.
»Wo?« fragte Rodenstock.
»In zehn Minuten in Pützborn auf dem Parkplatz vom Grenzlandmarkt.« Er stand auf und ging.
Wir folgten ihm, bezahlten an der Theke und gingen dann schnell auf den Parkplatz unterhalb des Forum.
»Mein Gott«, murmelte Rodenstock. »Wer hat denn diese Arie in Holz auf dem Gewissen?«
»Jemand im Stadtrat hat gefordert, man müsse den Architekten dazu zwingen, zehn Jahre lang zur Miete im Forum zu wohnen. Komm jetzt, Mehren ist erst halb gar.«
Völlig unangemessen fuhr ich Vollgas, bis Rodenstock sagte: »Mein junges Leben ist in massiver Gefahr. Kannst du etwas langsamer fahren, Siggi?«
»Entschuldige. Glaubst du, Rolf Mehren hat den Schlüssel?«
»Ganz fest. Alle diese Abhöraktivitäten sind geheimdienstlich so abgesichert, daß der General Indiskretionen nur von dem zu erwarten hatte, der einfach solidarisch war. Und der Mann heißt Rolf Mehren, denn Rolf Mehren hatte nur einen Garanten für seine persönliche Karriere: den General.«
Ich bog nach rechts in das Gewerbegebiet ein, dann nach links auf die unglaublich öde Fläche des großen Parkplatzes vor dem Grenzlandmarkt.
Mehren fuhr einen schwarzen Golf GT, hatte sich rechts neben das Gebäude gestellt und lehnte an der Kühlerhaube, als sei alles auf dieser Welt vollkommen in Ordnung.
Wir stiegen aus und schlenderten zu ihm.
»Was wissen Sie eigentlich?« begann er.
»Eine Menge«, sagte ich. »Kennen Sie Ursula Zimmer, die mächtige Dame aus dem Amt für Fernmeldewesen?«
Er antwortete nicht.
»Sie müssen sie kennen.« Rodenstock verstärkte den Druck. »Wenn Sie die Dame nicht kennen, taugen Sie für uns als Informant überhaupt nichts.«
»Wieso das?« fragte er beinahe beleidigt.
»Fangen wir mal anders an. Die Bundeswehr in Daun bekam eine Bitte um dienstliche Hilfe vom Bundesnachrichtendienst. Das passiert nicht alle Tage, aber auch nicht eben selten. Abgehört werden sollte ein bestimmtes Gebiet in Ex-Jugoslawien, das Gebiet, in dem Herterich, tätig als Zivilverwalter einer kleinen Stadt im Auftrag der UNO und NATO, lebte und arbeitete ...«
»Wenn Sie das doch schon wissen«, meinte Mehren gequält, »wieso bringen Sie mich in Schwierigkeiten?«
»Das sind keine Schwierigkeiten«, sagte Rodenstock zornig. »Wir können veranlassen, daß Sie als Zeuge durch sämtliche Gremien geschleppt werden, bis kein Mensch mehr etwas mit Ihnen zu tun haben will, weil Sie dem Mann, der Sie förderte, die Solidarität verweigerten. Kapieren Sie endlich, junger Mann: Wenn Sie die Schnauze nicht aufmachen, ist Ihre Karriere am Ende, dann sind Sie im Arsch, dann können Sie sich arbeitslos melden. Ist das endlich klar?« Er schrie jetzt. »Sie werden von den oberen Chargen der Bundeswehr nicht einmal mehr ignoriert. Und ich finde es erstaunlich, daß Sie so lange brauchen, um das zu begreifen. Noch etwas, Sie Geheimdienstlehrling: Treffen Sie niemals bei einem heiklen Unternehmen Ihre Verbindungsleute auf einem leeren Parkplatz wie diesem. Hier kann uns jeder aus
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