Eifel-Feuer
»Sagen Sie mal, Frau Cottbus, können Sie sich vorstellen, daß Ihr Ex-Mann auf andere Männer oder Frauen schießt?«
Es war eine Weile still, nur eine Schmeißfliege summte in den alten Fenstervorhängen.
»Sie müssen nicht antworten. Wenn Sie meinen, Sie würden durch Ihre Aussage Ihren Ex-Mann belasten, können Sie die Auskunft natürlich verweigern. Allerdings würden Sie dann vorgeladen, wenn es soweit ist.«
Wieder Stille.
»Also, ich könnte es mir schon vorstellen«, sagte sie und strich sich dabei eine Haarsträhne aus der Stirn. Unvermittelt wurde sie lebhaft. »Trinken die Herren einen Kognak?« Ohne auf eine Antwort zu warten, lief sie hinaus und kam kurz danach mit einem Tablett wieder. Darauf stand eine Flasche billigster Fusel mit drei kleinen Schnapsgläschen. Sie murmelte verlegen: »Dann redet es sich besser.«
»Danke«, sagte Rodenstock sehr freundlich. »Ich nehme einen.«
»Ich nicht, ich muß fahren«, wehrte ich ab.
Rodenstock schüttete den Kognak hinunter, verzog schnell das Gesicht und räusperte sich. »Also Ihrer Ansicht nach ist Ihr Ex-Mann fähig, auf andere Menschen zu schießen?«
»Sicher, warum nicht?« Sie goß sich einen zweiten Kognak ein, sah uns an und sagte beinahe flüsternd: »Entschuldigung, aber das regt mich so auf.« Dann trank sie und goß sich sofort den dritten ein.
»Trinken Sie ruhig.« Rodenstock wirkte väterlich. »Das kann ich verdammt gut verstehen.«
Sie goß sich den vierten ein und schluckte auch den hinunter. Dann zündete sie eine Zigarette an, eine Gitanes
ohne Filter. Sie rauchte wie ein Mann. »Kennen Sie den Film Taxidriver?«
»Sicher«, nickte ich.
»Da spielt Robert de Niro einen Taxifahrer, der aus Vietnam heimkommt und eigentlich nicht weiß, was er mit seinem Leben machen soll. Mein Mann war genauso. Ich dachte oft: Irgendwann knallt er durch und legt ganz Giesing um. Es war so ein Gefühl.«
»Wie lange waren Sie verheiratet?«
»Vier Jahre, vier Ewigkeiten«, sagte sie tonlos.
»Sie haben keine Kinder. Wollten Sie keine?«
»Ich wollte schon. Aber er konnte keine zeugen. Sein Sperma war sozusagen zu dünn. Doch er hatte versprochen, daß wir eins adoptieren, natürlich wurde nie was draus.«
»Woraus schließen Sie, daß er auf andere Menschen schießen könnte?«
»Ich bin eigentlich durch Zufall drauf gekommen. Manchmal stand er im Wohnzimmer hinter der Gardine und zielte auf Passanten. Dabei erklärte er mir, daß es am schwierigsten sei, einen Menschen so zu treffen, daß er nicht mehr weiterlaufen könne und gleichzeitig zu Boden ginge. Dann kam ich eines Tages in den Keller. Mein Mann hatte damals einen Riesenstreit mit irgendeinem Abteilungsleiter vom Ministerium. Der hieß Olschak. Wilhelm hatte eine Figur aus Pappe ausgeschnitten und Olschak daraufgeschrieben. Der Kellerverschlag war mit Styropor ausgekleidet. Auf der Waffe hatte er einen Schalldämpfer. Und er schoß mit scharfer Munition. Ab und an fuhren wir auch raus, abseits vom Starnberger See, in die Gegend vom Worthsee. Da ballerte er dann richtig rum. Im Wald vor Unering, das war dicht am Kloster Andechs.«
»Und Sie hatten Angst«, nickte Rodenstock.
»Ich hatte Angst«, bestätigte sie. »Hat er auf jemanden geschossen?«
»Darüber darf ich nicht sprechen«, sagte Rodenstock erneut. »Vielen Dank für Ihre Zeit. Das war es auch schon.« Er stand auf und ging einfach hinaus.
»Danke schön«, sagte ich brav und folgte ihm.
Sie blieb auf dem Stuhl hocken und dachte vermutlich an alte Zeiten. Mit ziemlicher Sicherheit würde sie bis zur Besinnungslosigkeit trinken.
»Der Mann würde passen«, sagte Rodenstock im Auto. »Wenn jemand gewußt hat, wie er ist, dann war er sogar ideal als Mörder...«
»Kalt und haßvoll«, nickte ich. »Genau der Mann für diese Sorte Arbeit.«
»Kannst du irgendwo halten, wo Schatten ist? Wir treffen Mehren erst in einer Stunde.«
Ich fuhr auf die schmale Nebenstraße zwischen Betteldorf und Zilsdorf und hielt an einem Wäldchen. Wir packten uns in den Schatten, stierten auf die Landschaft und sprachen kein Wort. Nur einmal fragte ich: »Was für eine Sorte Ausweis hast du eigentlich der Frau Cottbus unter die Nase gehalten?«
»Meine Jahreseintrittskarte für das Hallenbad in Cochem an der Mosel«, antwortete Rodenstock.
Der Soldat Rolf Mehren war einer der Schneidigsten, die ich je gesehen hatte. Alles an ihm war makellos, vom Haarschnitt bis zu den blankgewichsten Schuhen. Selbst sein Gesicht paßte in diese
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