Eifel-Gold
Wir deutschen Banken sind für unsere Diskretion berühmt. Ich würde mal sagen, daß zwar zwanzig Leute von den beteiligten Banken davon wußten, aber niemals von diesem Wissen Gebrauch machen würden. Das halte ich für unmöglich. Ich sage Ihnen: Niemand wußte von diesen Transporten!«
Marker kniff beinahe gewaltsam die Augen zusammen.
Nun konnte ich mich nicht mehr zurückhalten: »Ich bin Siggi Baumeister, ich lebe hier, Herr Schuhmacher, ich bin nicht hierhergekommen, um von Ihnen verscheißert zu werden. Sie werden zwischen Hillesheim, Wiesbaum, Ahrhütte und anderen Dörfern garantiert Hunderte von Zeugen finden, die ihre Uhr an jedem Samstag danach stellen konnten, wann der Geldtransporter durchfuhr. Die wußten alle, daß der Zaster aus Hillesheim vorbeikam.« Ich setzte mich wieder.
Schuhmacher schien zu überlegen, Marker nickte bedächtig und sagte: »Ich fürchte, es ist so, wie Herr Baumeister ausführt: In dieser Gegend war allgemein bekannt, daß an jedem Samstagmorgen der Geldtransport lief!«
Es war mir klar, daß Schuhmacher mir nun nie mehr einen Kleinkredit anbieten würde, also sagte ich zu Unger:
»Passen Sie genau auf, was gesagt wird. Vor allem auf das, was nicht gesagt wird. Und kommen Sie nachher zu mir. Okay?« Dann drängelte ich mich hinaus.
Durch die Menschenmenge ging ich zum Jeep. Da stand Alfred, grinste mich an und fragte: »Sag mal, Onkel Siggi, kennst du einen Wassi?«
»Nein, Onkel Alfred. Wer ist Wassi?«
»Na ja«, erklärte er, »ich weiß nicht genau. Jemand aus Kerpen. Ein Russe.«
»Und was macht ein Russe in Kerpen?«
»Er lebt da. Er heißt nicht Wassi, die nennen ihn nur so. Er heißt Wassiliew oder so.«
»Was ist mit diesem Wassi?«
»Also, er arbeitet im Wald«, antwortete er lahm.
»Wie schön für ihn«, sagte ich. »Und weil er im Wald arbeitet, hat er wahrscheinlich die achtzehneinhalb Millionen geklaut, oder?«
»Nee, nee, das nicht. Aber die Leute sagen: Wenn einer was weiß, dann Wassi. Weil Wassi jeden Tag im Wald ist, auch wenn nichts zu arbeiten ist.«
»Wer sind die Leute? Wer sagt das?«
»Ich hab das von Kläuschen.«
»Und wer ist Kläuschen?«
»Kläuschen ist Meiers Klaus. Kennst du Meiers Klaus nicht? So 'n Dicker, immer gut drauf.«
»Arbeitet der auch im Wald?«
»Nein, der arbeitet im Zementwerk in Ahütte. Aber er sieht Wassi öfters, und manchmal trinken sie einen zusammen. Kläuschen meint: Wenn einer was gesehen haben könnte, dann Wassi.«
»Also ein Rußlanddeutscher. Also Strumpffabrik Kerpen.«
»Richtig. – Ich geh jetzt auf ein Bier zu Mechthild.«
»Moment. Das Geld ist nicht von einem allein geklaut worden. Hat Wassi denn Freunde, die das mitmachen würden?«
»Weiß ich nicht«, wurde er nun muffig. »Bin ich Moses?«
»Bist du nicht«, beruhigte ich ihn.
Ich fuhr zur Strumpffabrik nach Kerpen. Ich hatte zwar nicht die geringste Hoffnung, daß dieser Deutschrusse namens Wassi irgend etwas wissen oder gar etwas sagen würde. Aber da ich gelernt habe, keine Spur außer acht zu lassen, dachte ich, es sei besser, diese kleine Arbeit sofort hinter mich zu bringen.
Die Strumpffabrik befindet sich linker Hand am Ortsausgang von Kerpen Richtung Leudersdorf und Ahütte. Granitgrau liegt sie schwerfällig am Hang einer großen Mulde, und jedermann, der einige Ahnung von Architektur hat, weiß sofort, daß das Gebäude nur in der Amtsperiode des Größten Feldherrn aller Zeiten entstanden sein kann. Tatsächlich ist es errichtet worden, um als Heim für den Reichsarbeitsdienst zu dienen, genauer: für junge Mädchen, die dort nachts schliefen und tagsüber ringsum auf den Bauernhöfen ihren Dienst taten. Die Feldwege um das Haus herum waren insbesondere der männlichen Jugend bestens bekannt, denn sie dienten dazu, sich im Morgengrauen anzuschleichen, wenn die Mädels auf den Hof gescheucht wurden, um in teutonischer Strenge den Körper zu lockern. Ein Haus ewiger Niederlagen, denn am Ende der tausend Jahre des Dritten Reiches wurde daraus ein Lazarett für angeschossene Landser, dann, nach Ende des Krieges, ein Altenheim, schließlich eine Strumpffabrik, die zu Beginn der achtziger Jahre den Betrieb einstellte. Jetzt hausten dort deutsche Russen aus Kasachstan, von denen nicht wenige begreifen mußten, daß das Land, in dem Milch und Honig fließt, durchweg asphaltiert ist. Übergangswohnheim nennt sich das jetzt.
Das Licht wurde zusehends blau, die Nacht kam, aber es war immer noch sehr warm, ein Abend, der nach
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