Eifel-Gold
Mitschülerin besucht. In Daun. Sie hat mit mir zusammen Abitur gemacht und ist da verheiratet. Weil ich sowieso in der Gegend war, da dachte ich ... o Scheiße, ich komme im falschen Augenblick, nicht? Ich bin völlig falsch, du erinnerst dich nicht an mich. Kann ich verstehen, manchmal geht das so, ich geh ja schon wieder, ich störe ja nur ...«
»Mal langsam. Wenn du hier auf den Bus warten willst, stehst du bis Montag morgen um halb acht. Das sind nur rund sechsunddreißig Stunden. Was, sagtest du, habe ich dir erzählt?«
Sie war schmal und dunkelhaarig und hatte große, eindrucksvolle Rehaugen und einen vollen Mund, der dauernd zuckte, als wolle sie zu weinen beginnen.
»Du hast auf diesem Fest bei Petra erzählt, wie du hier wohnst. Wir haben darüber gesprochen, was man im Leben unbedingt lernen sollte. Du hast gesagt: Man muß unter allen Umständen lernen, mit sich allein zu leben. Erst dann ist man gut für das Leben mit anderen. Das ... das habe ich nicht vergessen. Ruf mir ein Taxi, ich bin hier falsch, ich störe doch nur, ich ...«
»Nun komm erst einmal rein«, sagte ich energisch. »Gib mir diesen Koffer, dann kochen wir uns einen Kaffee. Und dann finden wir ein Bett für dich, und morgen sehen wir weiter.«
»Aber wenn ich doch störe, und was sagt deine Familie?«
»Ich habe keine Familie, jedenfalls meistens nicht. Sieh mal, da ist Krümel, das ist meine Katze, das ist meine Familie. Und hinten im Garten gibt es Glockenunken, eine Erdkröte und einen oder mehrere Grasfrösche, und unter der größten Birke liegt ein Haufen alter Äste. Da wohnt ein Igelpaar, die haben Junge, und da gibt es ein Plastikbecken mit einem Haufen Wasserflöhe. Das ist meine Familie. Jetzt steh hier nicht rum ...«
Mein Vortrag wurde massiv gestört durch ein Auto, das mit quietschenden Reifen um die Kurve schoß, auf den Hof donnerte, tiefe Spuren in die Erde riß und schepperte, als es abgebremst wurde. Es war der junge Kollege namens Unger, und er kam aus dem Auto herausgesprungen, als sei der Teufel hinter ihm her. Er stürzte heran, leckte sich die Lippen und keuchte dann: »Wir müssen einen Deutschrussen namens Wassi, also Wassiliew, finden. Der weiß was, ich wette, der weiß was.«
»Er behauptet, daß er nichts weiß«, berichtigte ich. »Das ist Bettina, ein Gast aus München, das ist Herbert Unger, ein Mensch aus Hamburg. Gebt euch die Hand und vertragt euch. Jetzt will ich einen Kaffee.« Ich nahm den Koffer und marschierte ins Haus. Ich hörte, wie Unger hinter mir höflich fragte: »Sind Sie auch daran interessiert, die Kohlen zu finden?« Sie antwortete verwirrt: »Welche Kohlen denn?«
Ich öffnete für Krümel eine Dose Thunfischhäppchen und füllte ihr eine Schüssel mit Wasser. Meinen Gästen erklärte ich: »Ich habe ein Problem mit euch. Morgen kommt ein lieber alter Freund. Ich habe aber keine drei Zimmer.«
»Wieviel haben Sie denn?« fragte Unger.
»Zwei«, entgegnete ich wahrheitsgemäß.
»Ich kann doch wieder abhauen«, murmelte Bettina. »Schließlich hast du nicht mit mir gerechnet ...«
»Kommt gar nicht in Frage«, bestimmte Unger. »Irgendwie schaffen wir das schon. Der liebe alte Freund kriegt ein Zimmer, die Bettina kriegt Zimmer Nummer zwei, und ich kann vielleicht irgendwo auf einem Sofa schla...«
»Kommt überhaupt nicht in Frage«, widersprach ich. »Die nächsten Tage werden hektisch. Wenn ich hektisch bin, will ich nicht über fremde Körper stolpern. Haben Sie was dagegen, in einem Schlafsack zu pennen?«
»Oder vielleicht in einem Hotel?« schlug Bettina vor.
»Das geht nicht«, sagte Unger schnell, und er wurde verlegen.
Ich klärte sie auf: »Das geht deswegen nicht, weil sein Chef ihm aufgetragen hat, sich eng an mich zu halten und mich keine Stunde allein zu lassen. Da hilft nur der Schlafsack.«
»So isses«, nickte Unger dumpf. »Was sagt Wassi?«
»Wassi arbeitet im Wald, ist gern im Wald, war schon in Kasachstan im Wald, hat aber nichts gesehen, weil er nicht am Tatort war«, informierte ich ihn.
»Und, glauben Sie das?«
»Nein, das glaube ich nicht«, gab ich zu.
»Sollen wir ihn ein bißchen unter Druck setzen?« fragte er.
»Hier wird niemand unter Druck gesetzt«, verneinte ich resolut. »Er wird reden, wenn er will. Wenn er nicht will, müssen wir ... egal, wir werden sehen. Was war noch auf der Pressekonferenz?«
»Der übliche Schmonzes«, resümierte er. »Kein Mensch weiß etwas, aber alle reden klug daher. Der Banker geht mir auf den
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