Eifel-Gold
vollkommen wortlos und vollkommen ohne Gewalt. Vermuten Sie denn unter den Tätern irgendwelche Bekannte der Wachleute?«
»Nicht unbedingt. Aber vielleicht ist doch einer darunter?«
»Glaube ich nicht.«
Unger kam um die Ecke und trug meinen Bademantel. Er räkelte sich und sagte unternehmungslustig: »Guten Morgen! Sie haben Besuch?«
Ich stellte sie einander vor: »Herr Rodenstock ist Mordspezialist.«
»War, war«, verbesserte Rodenstock schnell.
»Machen Sie sich alleine einen Kaffee«, bestimmte ich. »Wir müssen überlegen.«
»Was ist mit diesem Wassi?« fragte Unger.
Rodenstock spürte einem Stück Bitterschokolade und einem Schluck Cognac nach. Er sagte langgezogen: »Hhhmmm! Wassi ist nach meiner Einschätzung ein Schlitzohr. Wie er mir geschildert wurde, ist er jemand, der durchaus dabeigewesen sein könnte – aber: Er verfügt über null Logistik, er kann es nicht durchziehen.«
»Bettina geht es immer noch schlecht«, wechselte Unger das Thema.
»Lieber Gott«, explodierte ich, »dann kümmern Sie sich um sie! Wir haben einen der größten Geldraubfälle der letzten Jahrzehnte auf dem Hals, und Sie streicheln ihr Seelchen.«
Rodenstock grinste verstohlen.
»Schon gut, schon gut«, muffelte Unger.
»Und ziehen Sie einen anderen Bademantel an«, ergänzte ich bissig.
Der Kollege aus Hamburg antwortete nicht, marschierte wütend davon und trat mitten in ein Büschel blühendes Seifenkraut.
»Schonen Sie die Blumen und Gräser«, murmelte Rodenstock seidenweich. Dann sah er mich an, kniff die Lippen zusammen und setzte hinzu: »Wir sind zwei alte miese Knacker, nicht wahr?«
»Was ist mit Ihnen passiert?« fragte ich.
Er beugte sich mit einem Ruck nach vorn, wollte nach der Kaffeetasse greifen, aber er begann zu zittern.
»Meine Frau ist tot«, erklärte er.
»Scheiße.«
»Ich tauge nichts mehr, ich bin eben alt.«
»Sie sind nicht hierhergekommen, um gequirlten Blödsinn zu erzählen. Wir haben einen Fall zu klären!«
»Aber niemand ist an unserer Meinung interessiert«, wandte er ein.
»Da pfeif ich drauf«, sagte ich. »Wir brauchen einen Ansatz. Haben wir einen Ansatz? Wir haben keinen. Also machen wir beide einen Ausflug.«
»Wohin?«
»Nach Dernau ins Ahrtal.«
»Hocken dort die Gauner und zählen ihr Geld?« Er lächelte.
Wir machten uns auf den Weg. Unger stand vor dem Haus und fragte mißtrauisch: »Recherchieren Sie etwas Wichtiges?«
»Wir recherchieren nicht, wir fahren ein wenig spazieren«, entgegnete ich abweisend.
Langsam fuhren wir durch die Gegend.
Rodenstock drückte sich in die Ecke des Beifahrersitzes und lutschte an seiner erloschenen Zigarre herum. »Es war so, daß sie gar nicht krank war. Wenn ich genau überlege, war sie nie im Leben krank. Sie war immer gut gelaunt. Ich wurde pensioniert und dachte: Du hast eine gute Lebensarbeit geleistet, du kannst stolz sein. Die Kinder sind aus dem Gröbsten heraus, sie haben studiert, sie sind was. Dann kam das Landeskriminalamt und bat mich um eine Studie über Schwerverbrechen in Rheinland-Pfalz. Aha, dachte ich, du bist noch wer, man braucht dich noch! Ich war ... ich war richtig glücklich. Dann liegt sie morgens neben mir und ist tot. Einfach so.«
»Was sagen Ihre Kinder?«
»Der Junge trauerte nur, sagte nichts, war schweigsam. Er war immer schon schweigsam. Meine Tochter machte mir Vorwürfe, ich hätte wie ein Parasit gelebt. Auf Kosten meiner Frau. Ich hätte ihr Leben gestohlen. Es war furchtbar ... Sie ist verheiratet, hat zwei kleine Kinder, einen guten Mann. Ich habe sie angestarrt und nichts sagen können. Was soll man da sagen?« Er begann zu weinen, kramte umständlich ein Taschentuch heraus und preßte es sich ins Gesicht.
Ich fuhr durch Ahütte hindurch die kleinen Serpentinen hinauf auf die Straße zwischen Nohn und Adenau. Zwei Bussarde hingen in der Luft und schwankten leicht im Wind wie betrunkene Wächter.
»Deshalb sind Sie also nach Cochem gezogen?«
»Ja, ich habe Trier plötzlich gehaßt. Es ist eine schöne Stadt, aber ich hatte nichts mehr mit ihr zu tun. Ich pendelte zwischen meiner Wohnung und ihrem Grab. Ich stand da und redete mit ihr und wußte, das ist irgendwie abartig. Aber ich redete trotzdem mit ihr, denn ich hatte ihr so verdammt viel zu sagen und ...«
»Es ist nicht abartig, das ist normal. Sie müssen aufhören, sich zu bestrafen.«
»Ich wollte mich dann wirklich bestrafen, ich ... ich habe es versucht.«
»Wie lange ist das jetzt her?«
»Ein
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