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Eifel-Gold

Eifel-Gold

Titel: Eifel-Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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würde. Also mußte meine Planung vorsehen, mir mindestens bis zu diesem Zeitpunkt den Rücken freizuhalten. Erst danach könnte ich den Wagen leeren, das Geld verladen. Und dann? Dann mußte ich mit dem Geld in ein absolut sicheres Versteck abtauchen können. Ich hatte den Wagen seit kurz nach elf, ich mußte ihn absichern bis achtzehn Uhr dreißig. Das waren sieben Stunden, das war schier unmöglich. Trotzdem mußte genau diese Möglichkeit bestehen. Wer hatte das gedreht, wer hatte das geplant, wer hatte so viel Grips im Kopf?
    Samstagmorgen, bestes Wetter, Hochsommer. Wie lange fuhr um kurz nach elf niemand auf dieser Straße? Ein Unding, anzunehmen, daß alle Wochenendtouristen ausgerechnet diese Straße meiden würden.
    Wie lange würde der Geldtransporter brauchen, um entweder in Wiesbaum oder in Flesten die nächste, schnelle, durchgehende Straße zu erreichen? Zehn Minuten? Zehn Minuten, wenn er langsam fuhr. Also fünf Minuten. Unnütze Überlegung, denn auf diesen vielbefahrenen Straßen konnte der Geldtransporter nicht verschwinden: Zu viele würden ihn sehen, er würde irgend jemandem mit Sicherheit auffallen, denn ein Geldtransporter am Wochenende fällt auf.
    Daraus konnte man schließen, daß die Täter ein Versteck für den Wagen in unmittelbarer Nähe gefunden haben mußten. Aber, was bedeutete unmittelbare Nähe? Vier Kilometer? Acht Kilometer? Sie hatten durchaus Zeit, zwanzig Kilometer zu fahren. Sie konnten, wenn sie über Meßtischblätter der Gegend verfügten, die in jedem Papierladen zu kaufen waren, mühelos alle belebten Straßen vermeiden. Von meinem Standpunkt bis etwa in Höhe des Nürburgrings gab es auf einer Strecke von rund dreißig Kilometern endlose Wälder, in die man bei guter Vorbereitung eintauchen konnte wie ein Frosch in ein Schlammloch: unauffindbar.
    Sie konnten, natürlich, durch Anhängen einfacher Blenden in Wagengröße aus dem Geldtransporter mühelos einen Lkw mit Tiefkühlkost machen, sie konnten plötzlich ein Wäschereifahrzeug fahren, ein Postauto sogar, wenn auch eines mit absonderlichen Formen. Aber das würde niemandem auffallen.
    Ich hockte mich in den Jeep und fuhr heim. Dort legte ich ein Klavierstück von Brahms auf, fand es aber fade, wechselte zu Miles Davis, ließ mich beruhigen und beschloß, ins Bett zu gehen, nachdem Krümel eine zusätzliche Portion Herz abgestaubt hatte.
    Es war gegen drei Uhr, als ich sie hörte.
    Unger sagte dauernd »Pst, pst« und zischte dabei so laut wie ein Feldwebel. Bettina gluckste vor Lachen, und schließlich fragte Unger drängend: »Also, verdammt noch mal, wo ist denn dieser Scheißschlafsack?«
    Dann war es eine Weile still, bis es zaghaft klopfte, und noch ehe ich mich geräuspert hatte, stand Unger schwankend vor meinem Bett und verkündete nuschelnd: »Wir melln uns zurück, Chef.«
    »Ist ja gut«, nörgelte ich.
    »Da is aber noch was«, sagte er drohend.
    Ich öffnete die Augen, stützte mich hoch, sah ihn an und hatte allen Whisky der Welt um die Nase.
    »Es ist nämlich so, daß die Bettina einen echten, tiefen Kummer hat!« trompetete er.
    »Aha.«
    »Jawoll!« betonte er. »Also, sie ist eigentlich hergekommen, weil sie hoffte ... weil sie hoffte, daß Sie ihr irgendwie helfen würden. Weil: Sie hat einen tiefen Kummer.«
    »Lieber Mann«, erklärte ich, »Sie sind hier, um einen äußerst delikaten Geldraub zu beschreiben, und nicht, um die Kümmernisse der Bettina zu untersuchen.«
    »Hah!« rief er triumphierend. »Hah! Sind nicht gerade wir Journalisten gefragt, wenn Menschen in Not sind?«
    »Richtig«, bestätigte ich. »Zerschossene Kinder aus dem ehemaligen Jugoslawien, Kinder aus Somalia auch, Unterhosen für die Kurden von mir aus auch noch. Aber die Tränen von Bettina?« Langsam wurde ich wütend.
    »Hah!« begann er erneut. »Müssen nicht gerade wir hinhören, wenn Tränen fließen? Gerade wir, die wir dazu in der Lage sind, auch mehrgleisig zu denken, zwei oder drei Probleme gleich... gleichzeit...«
    »Gleichzeitig«, half ich.
    »Also gleichzeitig zu behandeln. Müssen wir das nicht?«
    »Hock dich mal aufs Bett«, sagte ich. Man soll Betrunkene nicht unnötig am Elend der Welt verzweifeln lassen. »Was hat sie denn, die Bettina?«
    Er atmete mit dicken Backen aus wie ein Pferd. »Ihr Mann schlägt sie.«
    »Ist das sicher? Das ist schlimm.«
    »Sage ich doch«, sagte er. »Und was tun wir? Wir hören weg!«
    »Wir hören nicht weg. Sie sollten aber jetzt schlafen«, beruhigte ich

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