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Eifel-Gold

Eifel-Gold

Titel: Eifel-Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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worden, während sein Bruder Siegfried als >im Osten verschollen< gemeldet wurde. Zurück blieben Moses, seine Frau Minna und seine Schwester Emma. Im Februar 1942 starben sie alle drei innerhalb einer Woche in ihrem Haus. Auf allen drei Totenscheinen steht >Grippe<. Aber wahrscheinlich sind sie verhungert, denn dem ganzen Dorf war es verboten, sie zu besuchen, ihnen etwas zu bringen, mit ihnen zu sprechen.«
    »Großer Gott«, murmelte Rodenstock betroffen.
    »Ich habe die Totenscheine«, fuhr ich fort. »Seit fast zehn Jahren gehe ich hierhin, wenn ich glaube, einen Kummer oder ein Problem zu haben. Wenn ich diesen Friedhof verlasse, habe ich keinen Kummer mehr.«
    Er blieb sehr ruhig vor dem Grab stehen, bückte sich dann und suchte im Gras und im alten Laub herum. Als er einen Stein gefunden hatte, trat er vor und legte ihn auf den Grabstein.
    »Lassen Sie uns zurückfahren, und versohlen Sie Ihrer Tochter den nackten Arsch. Sie hat es verdient«, schloß ich.
    Wir fuhren wieder, wir sprachen nicht miteinander, nur einmal sagte Rodenstock: »Im Sommer soll ich meine Enkel hüten. Ich denke, ich werde mit ihrer Mutter sprechen, ganz ernsthaft sprechen.«
    Gegen vierzehn Uhr waren wir zu Hause, der Hof lag verlassen in der Hitze. Unger und Bettina hockten im letzten Winkel des Gartens an der Natursteinmauer. Er saß auf einem Stuhl, vor ihm kauerte Bettina, hatte den Kopf auf seinen Schoß gelegt.
    »Du lieber Himmel«, seufzte Rodenstock. »So viel Glück!«
    Ich gebe zu, ich wollte Unger anmachen. Ich wollte bissig sagen, er solle gefälligst davon ablassen, Turteltäubchen zu spielen. Aber dann dachte ich, das sei unfair. Also fragte ich nur danach, was er herausgefunden hatte.
    Er hob den Kopf. »Zwei Dinge haben wir rausgefunden.« Er konzentrierte sich, und Bettina rührte sich nicht um einen Zentimeter. »Zum ersten: Ich habe rund dreißig Menschen in Wiesbaum, in Hillesheim, in Daun und Gerolstein auf der Straße befragt, ob sie von dem samstäglichen Geldtransport wußten. Sie hatten fast alle davon gehört. Und es war auch ziemlich genau bekannt, wieviel da transportiert wurde: etwa eine bis höchstens zwei Millionen.«
    »Also wußte niemand, wieviel es wirklich war«, sagte Rodenstock zufrieden.
    »Der zweite Punkt«, forderte ich.
    »Der Wassi, den Sie als eine angenehme, listige Mannsfigur eingestuft haben, ist in Rußland vorbestraft. Er hat drei Jahre in einem russischen Lager gesessen und wurde nur freigelassen, weil er versicherte, er würde Rußland sofort verlassen. Er wurde bestraft wegen gemeinschaftlichen Raubes, wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt und wegen räuberischer Erpressung. Im Übergangswohnheim in Kerpen ist er der einzige dieser Art. Aber in den Heimen in Siegburg und Bad Neuenahr gibt es fünf Kumpane von ihm. Sie hocken dauernd zusammen, treffen sich. Es paßt, es paßt so gut, daß es mich erschreckt. Wassi und Kumpane können das Ding gedreht haben. Denn Wassi hat zugegeben, daß er von den Transporten wußte. Und er war zum Zeitpunkt der Tat nicht im Heim. Alle seine Kollegen in Siegburg und Bad Neuenahr waren auch nicht zu Hause. Und keiner von ihnen hat bis jetzt den Hauch eines guten Alibis.«

VIERTES KAPITEL
    »Wo ist Wassi jetzt?« erkundigte ich mich.
    »Na, im Heim. Ich habe selbstverständlich verdeckt recherchiert.« Unger klang etwas beleidigt.
    »Gut gemacht«, lobte ich. »Also, die meisten dachten, es sind nie mehr als ein oder zwei Millionen, und Wassi könnte es gedreht haben.«
    »Was wird er mit achtzehneinhalb Millionen machen?« überlegte Rodenstock.
    »Den Verstand verlieren«, meinte Unger lächelnd.
    »Sein Verstand wird mit achtzehn Millionen besser zurechtkommen als unserer«, sagte ich. »Unger, Sie fahren zu einer Tankstelle und holen die Sonntagszeitungen. Dann sehen wir fern. Wir müssen herausfinden, was die Kolleginnen und Kollegen von diesem Fall wissen.«
    »Ich heiße Herbert«, erwiderte Unger. »Bettina, kommst du mit?«
    »Vielleicht könnte uns Bettina lieber was zu essen machen?« widersprach ich.
    »Kein Problem«, meinte Bettina brav.
    »Ich lege mich etwas hin«, murmelte Rodenstock.
    Wir trieben wie Inseln durch die heiße Luft des frühen Abends. Die Sonntagszeitungen hatten groß mit dem Geldraub aufgemacht und baten die Bevölkerung um Mitarbeit. Die ganze Welt schien im dunkeln zu tappen. Im Fernsehen das gleiche Bild. Ein Kommentator der ARD sprach davon, daß man sich daran zu gewöhnen habe, wie in Italien oder den USA

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