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Eifel-Gold

Eifel-Gold

Titel: Eifel-Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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belgischen, niederländischen, französischen Campingbussen ziehen 24 Stunden lang bei diesem strahlenden Wetter durch die Eifel. Es ist zwar völlig sinnlos, aber wir können uns ja mal erkundigen.«
    Ich hielt in Niederadenau an einer Telefonzelle und rief mich selbst an. Bettina meldete sich.
    »Gib mir mal den Unger«, bat ich.
    »Wann kommst du wieder? Ich will nämlich weg.«
    »Nutz die Chance, bleib bei mir.«
    »Aber ich gehe jedem auf den Wecker«, schluchzte sie.
    »Dir geht es beschissen. Ich kenne keine Landschaft, die bei beschissenen Gefühlen so gründlich heilt wie die Vulkaneifel. Gib mir den Unger.«
    Er meldete sich: »Sie waren sauer, nicht wahr? Ich entschuldige mich.«
    »Schon gut. Die Straße, auf der der Geldraub passiert ist, die zwischen Wiesbaum und Flesten, konnte im Zweifelsfall nicht nur von einem Laster abgesperrt werden, sondern auch von Campingbussen oder Gespannen. Fragen Sie die Leute tot. Und noch etwas: Fragen Sie bitte alle Leute, die Ihnen über den Weg laufen, wieviel Geld ihrer Schätzung nach jeweils am Samstagmorgen transportiert wurde.«
    »Aber das ist doch eine idiotische Frage, das weiß doch ohnehin keiner ganz genau.«
    »Fragen Sie, das ist ein Befehl. Und noch etwas: Lassen Sie nicht zu, daß Bettina verschwindet. Die braucht Hilfe, keine Vereinsamung.«
    Es war eine Weile still. »Sie sind schon ein Typ«, meinte Unger dann, »danke.«
    Wir fuhren weiter auf der B 257. In Ahrbrück tankte ich, am Restaurant »Zum Ahrbogen« fragte Rodenstock gepreßt: »Können Sie mal rechts ranfahren?«
    Ich tat das, polterte auf den großen Parkplatz, und er machte die Tür auf und übergab sich. »Ich bin einfach im Eimer«, keuchte er.
    »Die achtzehneinhalb Millionen werden Sie wieder aufrichten«, versuchte ich lahm, ihn zu trösten.
    Es ging weiter. Altenahr, dann abbiegen auf die Talstraße. Aufgereiht wie auf einer Perlenschnur: Reimerzhoven, Laach, Mayschoß. Dann Rech, die Einfahrt nach Dernau, links die Weinberge hinauf nach Grafschaft und Esch.
    »Was wollen wir hier eigentlich?« erkundigte sich Rodenstock.
    »Nachdenken«, erklärte ich. »Wir besuchen Moses Bär.«
    Ich hielt auf der linken Straßenseite vor dem alten Holztor vom Judenfriedhof und stieg aus. Eine Gruppe Wanderer kam die Straße hinabgetrottet und starrte uns neugierig an.
    »Auf einem Friedhof?« fragte er. »Ausgerechnet auf einem Friedhof?«
    »Es ist ein ganz besonderer Friedhof«, belehrte ich ihn.
    »Friedhöfe sind alle gleich.«
    »Dieser ist etwas gleicher«, sagte ich und drückte das Holztor auf. »Sie haben dieses winzige Fleckchen seit Jahrhunderten benutzt, alle Juden des Ahrtals. Moses und die Seinen sind die letzten gewesen. Moses kennt mich nicht, aber ich kenne ihn. Sehen Sie mal, zwanzig Grabsteine, meist hebräische Inschriften, nicht mehr leserlich, von Moos überwachsen, halb versunken.«
    »Aber irgendeiner pflegt das doch?«
    »Ja, ja, die Gemeinde Dernau hält das in Ordnung. Schlechtes Gewissen, würde ich mal sagen.«
    Er holte das Taschentuch aus der Jacke und wischte sich den Schweiß vom Gesicht. Er starrte auf den dunklen Marmorstein. »Du lieber Himmel, was ist da passiert?«
    »Ein Drama«, erzählte ich. »Kein Mensch wird jemals herausfinden, was im einzelnen passierte. Aber es war ein Drama. Immer, wenn ich ein wirkliches Problem habe, komme ich hierher und rede mit Moses. Vielleicht hört er zu.«
    »Was ist passiert?« fragte er tonlos. »Fünf Namen auf einem Grabstein? Und alle 1942 gestorben.«
    »Nicht gestorben. Krepiert, verhungert, erschossen. Die Geschichte ist dramatisch und unglaublich. Moses Bär war ein Metzger, ein koscherer. Minna war seine Frau, Emma seine Schwester. Sie wohnten mitten in Dernau und waren sehr beliebt. Die Geschichte fing mit den beiden unten eingemeißelten Söhnen Arthur und Siegfried an. Der Sohn Siegfried Israel Bär wurde 1941 von einem Dernauer angefallen und belästigt. Er schrieb daraufhin dem Landrat. Der Landrat schrieb wütend zurück, der Vorfall sei erstunken und erlogen, und Siegfried Bär solle ihn gefälligst in Ruhe lassen. Weil genau das der Siegfried Bär nicht tun wollte, ließ der Landrat das Problem auf die damalige, typische Art bereinigen: Beide Söhne wurden behördlich aufgefordert, Dernau zu verlassen und sich in ein Konzentrationslager zu begeben. Später bekam die Gemeinde die Nachricht, Arthur Bär sei auf dem Transport in das Lager verstorben, was schlicht heißt, er ist vergast oder erschossen

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