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Eifel-Gold

Eifel-Gold

Titel: Eifel-Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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Und soweit man hört, ist sie heute abend bei einer Frauengruppe oder so was richtig besoffen aufgetreten und hat alle umarmt und abgeknutscht. Die Gruppe ist ausgefallen, die Frauen haben dann Sekt getrunken. Mater Maria war dun!« Sie kicherte.
    Die Witwe Bolte übernahm das Kichern. »Die Jungfrau Maria ist manchmal richtig gut gelaunt. Als ich gesagt habe, unser Pfarrer hätte es nicht so gern, wenn ich mit ihr rede, hat sie gesagt, der war nur neidisch.«
    »Wie lange darfst du schon mit Maria und Michael sprechen?« fragte ich grinsend.
    »Na ja, so zehn Jahre, denke ich. Das war viel Arbeit, weil man es sich durch Gebete verdienen muß. – Die Gabeln sind da in der Schublade. – Wenn ich viel gebetet habe, schlafe ich glatt zwölf Stunden. – Die Teller sind oben im Schrank, nicht unten. Wollt ihr ein Schnäpschen? Einen selbstgemachten Schlehenschnaps?«
    »Hast du selbst Schlehen gepflückt?«
    »Na sicher, nach den ersten Frösten im Dezember. Es gab diesmal unheimlich viele. Du glaubst auch nicht, daß ich mit der Jungfrau rede und dem Erzengel, nicht wahr?«
    »O nein, im Gegenteil. Ich wette, du sprichst wirklich mit ihnen, und ich wette, niemand außer dir kann sie wirklich verstehen.«
    Die Witwe Bolte schwieg. Dann murmelte sie: »Das ist nett von dir. Oh, Kättchen, tu nicht zu viel auf den Teller!«
    »So«, befahl Kättchen, »der Teller wird aber leergegessen!« Dann grinste sie mich an und hatte den Schalk im Nacken. Harmlos versprach sie: »Der Siggi kann doch so gut Geschichten erzählen. Wenn du brav ißt, Klärchen, erzählt er dir sicher eine Gute-Nacht-Geschichte.«
    »Das ist aber toll!« strahlte die Witwe Bolte, und ich dachte über irgendeine brutale Todesart für Kättchen nach.
    »Na gut.« Ich streckte die Waffen. Insgeheim beschloß ich, mich furchtbar zu rächen, hatte aber noch keine Ahnung, wie das aussehen könnte.
    »Komm her, Klärchen«, sagte Kättchen. »Ab ins Bett! Und nicht mehr aufstehen und nicht mehr rumlaufen. Und auch nicht mehr beten. Hörst du?«
    »Ich bin ja ein braves Mädchen.« Sie kicherte, sie war eine wirklich fröhliche Verrückte.
    Kättchen geleitete sie ins Schlafzimmer und zog ihr den scheußlichen Bademantel aus. Dann legte sich die Witwe Bolte hin, wurde zugedeckt, und ich bekam einen Hocker neben das Bett gestellt.
    Da sitzt man gegen Mitternacht neben dem Bett einer alten Frau, und es fällt einem nichts, absolut nichts ein. Sie liegt wie ein Kind auf dem Kissen und strahlt in Erwartung dessen, was kommen wird. Ich druckste herum und sagte: »Ja, äh, ähem« und Ähnliches mehr. Plötzlich erinnerte ich mich an eine kitschige, honigsüße Fünf-Minuten-Geschichte von dem wundersamen Igel namens Murkel, der nachts die Kinder in den Betten besucht und sie tröstet, wenn sie unglücklich sind. Die erzählte ich ihr. In meiner Geschichte tröstete Murkel erfolgreich einen kleinen Jungen, der steif und fest behauptete, den Heiligen Antonius gesehen zu haben.
    Ich brachte die Geschichte nicht zu Ende, denn entweder war sie so einschläfernd schlecht, daß die Witwe Bolte zu schnarchen begann, oder sie war das beste Beruhigungsmittel seit Erfindung des Holzhammers.
    Kättchen flüsterte erstaunt: »Das wirkt ja Wunder«, was mich nicht gerade tröstete. Wir löschten das Licht und gingen hinaus. Kättchen erklärte: »Ich schließe nicht ab. Kein Mensch kommt auf die Idee, Klärchen zu klauen.« Damit machte sie sich auf den Weg.
    Ich schlenderte durch die Nacht und hatte keine Lust zu irgendwas. Nicht, nach Hause zu gehen, ins Bett zu steigen und zu schlafen. Also kletterte ich in den Jeep und fuhr zu dem, was sie lapidar Tatort nannten. Ich stellte den Wagen zwischen die Bäume, stopfte mir die Prato von Lorenzo, schmauchte vor mich hin und betrachtete diese zweihundert Quadratmeter, auf denen sich alles abgespielt haben sollte. Dabei stellte ich mir vor, ich hätte herauszufinden, wohin der Transporter fuhr, wer ihn steuerte, wie die Wachleute überlistet worden waren. Angenommen, das war zu schaffen. Wohin jetzt mit dem Wagen? Wieviel Zeit hatte ich, wieviel Zeit sah meine Planung vor? Zwanzig Minuten, sechzig Minuten, zwei, drei, vier Stunden. Konnte ich das überhaupt planen? Wenn ich wußte, wann dieser Wagen durchkam, wenn ich wußte, mit welchem Trick ich die zwei Transportbegleiter herauslocken konnte, dann mußte ich auch wissen, daß der Wagen ein Zeitschloß hatte, eines, das erst um achtzehn Uhr den Zugang zu den Millionen freigeben

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