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Eifel-Gold

Eifel-Gold

Titel: Eifel-Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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überzeugen ließe. Das besagt, daß sie ihm einen solchen Coup zumindest von der Moral eines Raffke her durchaus zutrauen.«
    »Und die Spuren am Tatort?« horchte Unger Marker weiter aus.
    »Keine. Der Täter trug Handschuhe. Velourleder.«
    »Was machen wohl inzwischen die Räuber?« fragte Rodenstock.
    »Schulden bezahlen«, mutmaßte ich.
    Marker verließ uns gegen Mitternacht. Gerade, als Unger wortreich einen raffinierten Bankraub in Nizza schilderte, schrillte das Telefon. Es war mein Bürgermeister.
    »Hör zu«, sagte er mit Grabesstimme, »du mußt noch mal helfen. Die Witwe Bolte rennt wieder nackt draußen rum und singt Kirchenlieder. Ich hab eine Konferenz, Kättchen ist nicht aufzutreiben.«
    »Ich bin schon unterwegs«, beruhigte ich ihn. Widerspruch hätte nichts bewirkt, die Dorfgemeinschaft ist eisern: Baumeister darf auf der Kirmes Bier zapfen und irre Tanten zähmen.
    Ich war froh, meinem eigenen Haus zu entkommen, und marschierte durch das nächtliche Dorf. Es war sehr still. In einem Zimmer des Hauses der Witwe Bolte brannte Licht, die Hoflampe schien mattgelb. Niemand war zu sehen.
    Ich ging auf den Hof und blieb dann stehen, weil sie mir entgegenkam. Sie hatte irgend etwas um ihre unförmige dicke Figur gehängt, etwas, das merkwürdig glänzte. Dann erkannte ich grellrote Rosen darauf. Es war ein Wachstuch, das Tuch von ihrem Küchentisch. Sie hatte es vorne vor den Brüsten mit einer Wäscheklammer zusammengesteckt. Links und rechts trug sie je eine brennende weiße Haushaltskerze in der Hand, und sie war barfuß. Sie sah mich, nickte, weil sie mich erkannte, und lächelte freundlich.
    Hell und selbstverständlich rief sie mir zu: »Guten Abend, Herr Baumeister. Kommen Sie, lassen Sie uns beten.« Dann ging sie einfach weiter. Nach vier Schritten erreichte sie die schmale Straße vor dem Haus, drehte sich um und sagte: »Nun seien Sie doch nicht schüchtern, Herr Baumeister. Die Heilige Jungfrau wird Sie segnen, wenn Sie mit mir beten.«
    »Moment mal«, stotterte ich und folgte ihr.
    Sie drehte sich wieder um, ihre Bewegungen waren sehr weich und sehr anmutig. Inbrünstig und leise, aber mit klarer Stimme sang sie: »Meerstern, ich dich grüße ...«
    »Heh«, sagte ich. »Du erkältest dich!«
    Sie hielt inne und schüttelte leicht den Kopf. Tadelnd murmelte sie: »Es ist eine heiße Sommernacht, Herr Baumeister. Wie soll ich mich erkälten? Kommen Sie, lassen Sie uns die Jungfrau feiern und ehren. Sehen Sie, sie wartet schon.« Sie ging weiter, querte die Straße, die stracks auf die zweihundert Meter entfernte Scheune von Christian Daun zuführt.
    Dann sah ich es.
    Die Scheune wurde von einem blauen Licht umflossen, das an den Kanten des Daches und der Steinmauern zu wabern schien. Zuweilen waren gelbe und rote Blitze in diesem Licht.
    »Kommen Sie«, wiederholte sie fröhlich, »die Jungfrau erwartet uns!«
    Jetzt erlosch das Licht um die Scheune.
    »Das geht so nicht«, schimpfte ich energisch. »Du bist nackt, du holst dir den Tod. Das dulde ich nicht.«
    Plötzlich waberte das blaue Licht erneut, die Blitze zuckten.
    »Ich bin ein ungehöriges Mädchen«, meinte sie. »Nicht wahr?«
    »Na ja, in der Kirche ziehst du dich auch anders an.« Ich nahm ihren Arm, drehte sie sanft herum und bestimmte: »Erst einmal ziehst du dich vernünftig an, dann gehen wir beten.«
    Wir gingen zurück, und sie summte ein Lied vor sich hin und wehrte sich nicht. Ich brachte sie in die Küche, sah ihre Medikamente und fragte: »Hast du die Pillen genommen?«
    »Oje«, sie kicherte, »habe ich vergessen.«
    Ich nahm aus der Tavor-Schachtel zwei Tabletten, legte sie vor sie auf den Küchentisch und gab ihr ein halbes Glas Wasser. »Das nimmst du jetzt und läßt mich dabei zusehen. Dann können wir gehen.« Sie lächelte wieder, antwortete nicht und schluckte brav die Tabletten. »Manchmal bin ich ein ungehöriges Mädchen«, gab sie verschämt zu. Plötzlich vergaß sie, wer ich war, und sie murmelte: »Papa, erzählst du mir eine Geschichte?«
    »Erst ab ins Bett«, sagte ich freundlich.
    Sie fummelte sich das Wachstuch von den Schultern, ließ es einfach zu Boden fallen und ging hinaus in den Flur, dann in das Schlafzimmer. Ich reichte ihr das Nachthemd, und sie zog es über. Sie beharrte: »Du erzählst immer so schöne Geschichten, Papa.« Dabei legte sie sich hin und zog die Decke hoch an ihr Gesicht. Sie begann am Daumen zu lutschen und war wie ein braver, vollkommen zufriedener Säugling. Ehe ich

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