Eifel-Gold
Eiswürfel.«
SECHSTES KAPITEL
Unger war ein sehr gründlicher und wohl auch etwas ängstlicher Mensch. Er meldete sich bei einem Zahnarzt an und entschwand – selbstverständlich in Begleitung von Bettina.
Ich schlenderte durch das Dorf und war in der Stimmung, Fußball mit einer Blechdose zu spielen. Aber da ich angeblich erwachsen bin, widerstand ich der Versuchung und lief hinaus zu Alfreds Hof, er mußte irgendwo auf den Wiesen bei den Kühen sein. Dann sah ich ihn jenseits der Straße nach Kerpen auf der großen Koppel. Sein Trecker ratterte und trieb die Melkmaschine an, die Kühe standen in Reih und Glied.
»Hat sich einer gemeldet, um dir Geld zu pumpen?«
Er grinste. »Noch nicht. Wenn aber doch, halte ich den Mund. Was spricht die Bullenschar?«
»Nichts. Sie ist hilflos. Nehmen wir mal an, wir beide wollen einen Geldtransporter klauen. Nehmen wir an, wir brauchen dazu einen Tieflader oder einen geschlossenen Vierzigtonner. Pumpen wir den, oder klauen wir den?«
»Weder klauen noch pumpen«, sagte er, nahm den Hut vom Kopf und kratzte sich die Stirn. »Wir besorgen uns so was kurzfristig.« Dann sah er mich an und meinte: »Gute Frage!«
»Tu nicht so geheimnisvoll. Wie würdest du so ein Gerät besorgen?«
Er schaute über meine Schulter hinweg irgendwohin. Alfred sieht immer gänzlich unschuldig irgendwohin, wenn er etwas Wichtiges mitzuteilen hat. »Also, du stehst vor einem Problem«, resümierte er. »Du braucht einen Tieflader oder Ähnliches. Also etwas, mit dem du einen Geldtransporter ganz schnell wegbringen kannst. Du willst so ein Ding nicht großartig leihen, weil ja dann gefragt wird: Weshalb leiht der sich das? Richtig?«
»Richtig.«
»Vielleicht hast du einen guten Kumpel, der dir das leiht, ohne nachzufragen. Aber wenn der Kumpel spitzkriegt, daß du mit seinem Tieflader fast zwanzig Millionen wegtransportiert hast, könnte es passieren, daß der Kumpel ein Problem wird. Richtig?«
»Richtig.«
»Na gut. Dann würde ich mal durch die Gegend fahren und mich umgucken.« Er grinste, seine Nase legte sich dabei in enorm adrette Falten.
»In welche Himmelsrichtung würdest du denn fahren?« fragte ich und guckte sicherheitshalber auch irgendwohin.
»Versuch's mal im Süden«, meinte er gutmütig. Dann trat er einer Kuh in den Hintern, die unbedingt die Tasche seines Arbeitskittels fressen wollte.
Ich trollte mich.
Über Walsdorf fuhr ich nach Daun. Es folgte Zilsdorf, dann der kleine Berg hoch zur Abfahrt nach Oberehe. Es sind nur lächerliche zweitausend Meter von Zilsdorf bis Oberehe und nur dreitausend Meter von Oberehe an der Nürburg-Quelle vorbei bis Dockweiler, aber auf dieser kurzen Strecke lag links die Lösung meines Rätsels: Ein Holzlagerplatz, auf dem Tausende von Fichtenstämmen ständig von Wasser berieselt werden mußten, um den Befall durch Borkenkäfer zu verhindern. Neben diesem naßglänzenden Riesenberg Holz standen drei Tieflader.
Ich ging auf die Bremsen und rollte den breiten Feldweg zu dem Gebirge aus Fichten, dann würgte ich den Jeep ab und blieb stehen.
Es waren drei Volvo-Intercooler mit belgischer Nummer, und wahrscheinlich waren sie seit mindestens vier Jahren hier im Einsatz, weil belgische Firmen das meiste Holz der beiden großen Stürme aufgekauft hatten: Material für die hungrige Möbelindustrie.
Ich stieg aus und schlenderte um die Zugmaschinen herum. Alle drei waren vollkommen kalt. Das heißt, sie waren an diesem Montag nicht gefahren worden. Das war, wie ich wußte, normal. Denn die Fahrer wurden in der Regel zum Wochenende von ihren Frauen abgeholt und tauchten erst wieder auf, wenn die zuständigen Forstämter die nächsten Stämme zum Abtransport freigaben. Sie ließen die Tieflader einfach stehen – niemand würde auf die Idee kommen, sich diese Monstren unter den Nagel zu reißen.
Alle drei waren abgeschlossen und standen so brav und unschuldig in der Gegend herum, daß ich mir ausgesprochen dämlich vorkam. Die Aufsätze der Tieflader hatten fünf Achsen, der mittlere war zuletzt gefahren worden, denn die zweite Achse von vorn trug einen Innenreifen, der durch nassen Lehm gerollt war. So weit, so gut. Bedeutete das, daß der Fahrer den Schlüssel verliehen hatte?
Ich habe mir im Laufe der Zeit angewöhnt, so zu tun, als hätte ich immens viel Zeit, als seien Hektik und Streß nicht für mich gemacht. Das lernt man in der Eifel. Auf jemanden, der mich beobachtete, mußte ich den Eindruck machen, als sei ich zum Pinkeln in die
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