Eifel-Gold
Eggen und was weiß der Henker.«
»Kättchen fragt, ob du nicht kommen könntest. Dann hat sie es einfacher.«
»Also gut, ich gehe. Was hast du von dem verschwundenen Zaster gehört?«
»Nichts, rein gar nichts. – Aber Gitta hat ihren Kindergarten. Stell dir das vor!«
»Wie hat sie das gemacht?«
»Ich weiß es nicht. Sie rief heute mittag an und sagte, das Sozialministerium in Mainz könne sie mal kreuzweise. Sie baut aus und fängt mit zwei Kindergruppen und einer Krabbelgruppe an. Weiß der Henker, wie sie das geschafft hat.«
»Wahrscheinlich wütend«, sagte ich, und er lachte. Die Regierenden in diesem Landstrich behaupten, es seien reichlich Kindergartenplätze vorhanden, was ihnen niemand glaubt. Gitta war eine junge Kindergärtnerin, die sich seit Jahren vergeblich um Zuschüsse für eine private Einrichtung bemühte und dabei im wesentlichen gegen die Regierenden rannte, aber auch gegen die mächtige Caritas, die behauptete, alle sozialen Dienste der Eifel seien nicht nur ausreichend, sondern geradezu himmlisch gut, was ich für leicht übertrieben halte.
Das kleine Gehöft der Witwe Bolte wirkte im blauen Nachthimmel wie ein freundliches Hexenhäuschen, alle Fenster standen offen. Ich konnte in der Küche die beiden Frauen sehen. Kättchen stand am Herd und rührte in einem Topf, die Witwe Bolte stellte Teller auf den Tisch und sah in ihrem weißen Nachthemd wie ein umfangreiches Gespenst aus. Sie sangen »Meerstern, ich dich grüße ...«
Ich lehnte mich an das offene Fenster und wartete brav, bis sie ausgesungen hatten.
»Da ist dein Märchenonkel«, sagte Kättchen lächelnd.
»Ihr seid aber spät dran«, stellte ich fest.
»Das kommt daher, weil ich heute vier Andachten gemacht habe«, erwiderte die Witwe Bolte ernsthaft. »Abends hat die Heilige Maria mich erhört, ihr wunderbares Licht kam wieder.«
»Das ist recht«, meinte Kättchen. »Aber jetzt wird erst mal gegessen. Gebete brauchen Kraft.«
»Hat sie ihre Tabletten genommen?« fragte ich.
»Das weiß ich nicht«, antwortete Kättchen. »Sie kriegt sechs Tabletten und Pillen. Aber sie hat damit auf dem Küchentisch gespielt. Jetzt ist in jeder Dose irgendeine Mischung, und kein Mensch weiß mehr, was eigentlich was ist.«
»Vielleicht kann man das rauskriegen«, sagte ich.
»Ich kann die wieder sortieren«, erklärte die Witwe Bolte gutmütig, als seien wir die unartigen Kinder, die ihre Hausapotheke durcheinandergeworfen hatten.
»Das ist prima«, meinte das praktische Kättchen. »Aber erst ißt du!«
Ich ging um das Haus herum und hinein. »Gibt es denn irgendwo die Verpackungen der Medikamente und das Rezept?«
»Vielleicht im Küchenschrank«, murmelte Kättchen. »Man muß eventuell ein neues Rezept vom Doktor holen. Das ist das Sicherste. Sonst futtert sie irgendwas gegen Durchfall, und es ist für die Lunge, oder so.«
»Das weiß ich doch alles«, flötete die Witwe Bolte.
»Setz dich hin und laß das mal den Siggi machen«, befahl Kättchen. »Jetzt steht das Essen auf dem Tisch, jetzt wird gegessen.«
»Ich bin ja ganz brav«, versicherte die Witwe Bolte.
Die Medikamentenverpackungen waren nicht im Küchenschrank, das Rezept auch nicht. Auch im Schlafzimmer fand ich nichts, und die gute Stube war blankgefegt wie eine Tenne.
»Dann fahre ich früh zum Doktor und lasse mir ein neues Rezept ausstellen.«
»Das kostet wieder Geld«, meinte Kättchen.
Die Witwe Bolte strahlte. »Aber das macht doch nichts. Maria, die Jungfrau, hat mir Geld gegeben. Warte mal, wo ist denn das?« Sie stand auf, sie legte einen Zeigefinger theatralisch auf die Stirn. »Ach, ach, ach, ich weiß es wieder. Ich habe es da in die Vase getan.« Sie ging an den Küchenschrank und holte eine große, scheußliche, bauchige Vase heraus. Sie griff hinein, und ihre Hand kam mit einer guten Handvoll Hundertmarkscheine wieder hinaus. Sie legte das Knäuel auf den Küchentisch und sagte entzückt: »Da!«
Kättchen wurde um einiges bleicher. »Wenn Willi das erfährt, kriegt er einen Anfall. Du hast versprochen, du hast kein Bargeld im Haus!«
»Aber die Jungfrau ...«, murmelte die Witwe Bolte verschüchtert.
»Quatsch Jungfrau«, sagte Kättchen. »Du hast gemogelt. Wieviel ist das denn?«
Die Kostbarkeit war zusammengeknüllt, als habe jemand Heringe drin transportiert. Ich nahm die Scheine und strich sie Stück um Stück glatt. »Es müssen so an die viertausend Mark sein, und ein paar haben im Dreck gelegen oder in einer Pfütze. Das
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