Eifel-Gold
stinkt nach Öl.«
Die Witwe Bolte blickte an die Küchendecke.
»Das hat sie schon ein paarmal gemacht«, erklärte Kättchen halblaut. »Das muß vor fünf Jahren gewesen sein. Da hat sie ein ganzes Bündel von dem Zeug in der Kirche hinter die Heilige Maria gestopft. Jetzt hat sie ja die Maria drüben an der Scheune stehen. Sie steckt das Geld dahinter und sagt, Maria hätte es ihr gegeben.«
»Die Jungfrau hilft mir Armen«, sagte die Witwe Bolte.
»Es sind viertausendzweihundert Mark«, sagte ich. »Wie kommt sie daran?«
»Du weißt doch, wie das hier ist«, erwiderte Kättchen. »Die Alten trauen den Banken nicht. Die haben alles bar zu Hause. Sag mal, wieviel hast du denn noch davon?«
»Nichts«, behauptete die Witwe Bolte. »Das ist von der Jungfrau Maria. Sie warf es ... es lag vor ihr, und sie sagte ... sie hat es mir gegeben.«
»Ich nehme es mit nach Hause«, entschied Kättchen. »Willi kann es auf ihr Konto einzahlen. Man müßte hier mal alles durchsuchen. Der olle Hammes aus Niederehe hat im letzten Frühling sechstausend Mark im Ofen versteckt und vergessen. Es fiel ihm erst im Herbst ein, als er den Ofen anzünden mußte, weil es so kalt war.«
»Ich bin satt«, verkündete die Witwe Bolte. »Seht mal, der Erzengel sendet Zeichen.«
Über Christian Dauns Scheune stand der blaue Schein, und Kättchen fragte: »Findest du nicht auch, daß der es übertreibt? Arbeitet dauernd in der Nacht. Der macht sich doch kaputt.«
»Was soll er machen? Er verkauft sein Heu an die Holländer. Das bedeutet ein paar Wochen fast ohne Schlaf, aber auch, daß er verdammt gut verdient.«
»Ja«, murmelte sie, »sicher, so ist es auch richtig.«
»Er sollte heiraten«, sagte ich.
»Heiraten? Der Christian? Hm. Würde der schon, aber wer heiratet heutzutage einen Bauern?«
»Das alte Elend«, meinte die Witwe Bolte weise. »Was kriege ich denn für eine Gute-Nacht-Geschichte? Irgend etwas mit einem Engel?« Jetzt war sie wieder das kleine Kind, das den Papa überreden wollte.
»Irgendwas mit einem Engel«, bestätigte ich.
Kättchen nahm mit den ihr eigenen resoluten Bewegungen die Teller und Bestecke vom Tisch und spülte sie ab. »Hast du gehört, daß Mirbach ein neues Geläut bekommt? Und Walsdorf auch?« erzählte sie mir dabei. »Ich weiß nicht, ob das sein muß, fast zweihunderttausend jeweils. Erst geht es nicht, weil jahrelang kein Geld da ist, dann geht es doch ... na ja, die müssen es wissen. So viel Kredit.«
»Ab ins Bett«, befahl ich der Witwe Bolte. »Und schön einkuscheln.«
»Und schön einkuscheln«, trällerte sie.
Ich erinnerte mich an eine Kurzgeschichte von O'Henry, in der eine junge Frau in New York ihr Haar verkauft, um ihrem Mann ein kleines Weihnachtsgeschenk machen zu können. Ich machte aus der jungen Frau einen Engel, der durch die Straßenschluchten New Yorks schwebt und dem armen, jungen Mann sein Haar schenkt. Irgendwann schlief die Witwe Bolte mit einem seligen Lächeln auf dem Gesicht ein.
Kättchen und ich schlössen die Fenster und machten uns auf den Weg.
»Sie hat ihre Gipsmadonna an Christian Dauns Scheune gestellt«, sagte Kättchen. »Sollten wir nicht besser gucken, ob sie da noch eine Handvoll Geld hingetan hat?«
»Sollten wir vielleicht«, bestätigte ich.
Also marschierten wir über die zweihundert Meter Feldweg zur Scheune, und die ganze Zeit über waberte der blaue Schein, durchzuckt von Blitzen, in den Nachthimmel.
»Das mit dem neuen Geläut«, nahm Kättchen die Unterhaltung wieder auf, »das ist schon merkwürdig.«
»Das kannst du laut sagen«, erwiderte ich. »Vielleicht kaufen die Gemeinden neue Glocken, weil es der Wirtschaft immer mieser geht und weil sie in zwei Jahren gar nichts mehr tun können.«
»Das kann sein«, entgegnete sie. »Hier ist viel los, was Pleiten angeht. Aber darüber redet man nicht.«
»Eine schweigsame Landschaft«, murmelte ich. »Wie bei dem Geldraub. Steckt die Witwe Bolte mit ihrer Spinnerei eigentlich andere an?«
»Ja, ja, ein bißchen schon. Aber noch ist es harmlos. Der Pfarrer hat allerdings gesagt, so fängt es an den Wallfahrtsorten immer an. Und er ist nicht glücklich darüber.«
Wir hatten den monströsen Haufen Feldsteine erreicht, auf dem die Gipsmadonna thronte.
Kättchen kniete sich hin und langte hinter den Haufen. »Hier sind die Belüftungslöcher für das Heu. Da steckt sie das Geld rein. Aber jetzt ist keins da. Rührend, nicht wahr?«
»Das ist großer Glaube«, sagte ich. »Das ist
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