Eifel-Gold
schon? Arbeit tut gut, und Sie wissen das.«
»Ich habe Krebs.«
»... was für welchen?«
»Hodenkrebs.«
»Warum lassen Sie sich nicht operieren, wenn wir den Fall gelöst haben?«
Er wandte mir den Kopf zu. »Sie sind so hoffnungslos optimistisch.«
»Das muß ich auch sein bei den vielen Arschlöchern, die ich kenne.«
Bettina und Unger waren nach wie vor damit beschäftigt, sein lädiertes Antlitz mit Hilfe zweier Eisbeutel auf Normalmaß zu bringen. »Nichts gebrochen«, verkündete er fröhlich.
»Sie sollen eine Geschichte schreiben«, mahnte ich.
»Habe ich«, trompetete er. »Übrigens, es könnte sein, daß wir uns zusammentun, die Bettina und ich.«
»Nicht möglich«, murmelte Rodenstock.
»Wo ist der Text?« fragte ich.
»Auf Ihrem Schreibtisch«, sagte er. »Irgend etwas Neues?«
»Ja. Wir haben den Tieflader entdeckt, auf dem der Geldtransporter verschwand.«
»Und?« krähte er schrill.
»Nichts«, sagte ich. »Nur ein Verdacht, sonst nichts. Bettina, bist du bereit, etwas zum Abendessen zu machen?«
»Wie wäre es mit Kartoffelpüree und einem Haufen Rührei?« fragte sie nicht sonderlich bei der Sache.
»Das ist sehr gut«, lobte ich. »Wenn du dich innerhalb der nächsten drei Tage von diesem Macker lösen könntest, müßten wir nicht verhungern.«
»Du Neidhammel«, zischte sie.
Ich las Ungers Text und fragte mich, ob er nicht zu tief in die mythologische Kiste gegriffen hatte, aber wahrscheinlich hatte er alles in allem recht.
Er begann: Normalerweise würde man sagen, daß der Raub von achtzehneinhalb Millionen barer D-Mark ein Coup ersten Ranges ist. Was allerdings den Coup in den Rang einer Heldensage hebt, noch ehe er kriminalistisch gelöst werden kann, ist die Tatsache, daß er in der Vulkaneifel stattfand. Wortkarge Menschen in endlosen, geheimnisvoll rauschenden Wäldern voller Rotwild und Wildschweinen. Nicht Asterix und Obelix haben gallisch zugeschlagen, sondern, weitaus eher erkennbar, das geheimnisvolle Internationale Organisierte Verbrechen.
Vulgo: Wer klaute die Millionen am hellichten Tag unter der Eifelsonne? Zweifellos jemand mit Köpfchen. Erheblich blutiger und ungleich drastischer, daß der vielleicht beteiligte Chef einer Minibankfiliale ganz nebenbei in seinem eigenen Garten auf eine höchst brutale Weise um die Ecke gebracht worden ist.
Weil er zuviel wußte? Mag sein, aber gemach, der Reihe nach, immer schön Schritt für Schritt.
Eines steht jetzt schon fest: Die Dramaturgen haben sämtliche im deutschen Sprachraum tätige Fernsehspiel-Erfinder in die Tasche gesteckt. Da ist ein Reinecker ebenso schlicht im Eimer wie die ekelhaften Versuche eifriger Nichtskönner, das alltägliche Grauen unter uns im sogenannten truecrime-Verfahren auf den Schirm zu zaubern. Vielleicht sollte man den Tätern raten, nach der Pensionierung einen Kurs an der Volkshochschule zu etablieren: Wie verblüffe ich Deutschland ...
Kein Zweifel, Unger hatte Talent, aber möglicherweise hatte die Liebe ihn ein wenig geschwätzig gemacht. Wie auch immer, die Redaktion würde es zunächst danken, dann würde ein leitender Redakteur aus der coolen Periode kommen und sagen: »Ich brauche Fakten und keinen Essay!« So sehr Unger auch kämpfen würde: Sein Text war zum Tode verurteilt und damit ein Schritt zum Ausbau seines Talentes verhindert.
Draußen fuhr ein Wagen vor, jemand strich am Fenster vorbei, es schellte.
Die Frau vor der Tür war für die Eifel durchaus außergewöhnlich. Sie hatte sich in das kleine Schwarze gezwängt und ein jungfräulich weißes Satinband in das germanisch strohblonde Haar geflochten. Sie machte einen sehr zierlichen, gepflegten Eindruck und war von der Sorte, die jeden Augenblick sagen können: »Ja, meine Dritten? Ach Gott, da bin ich pingelig ...«
Artig sagte sie: »Guten Abend. Mein Vater soll hier sein. Kriminalrat a. D. Rodenstock.« Sie sagte tatsächlich a. D.
»Erster Stock, erste Türe links«, murmelte ich im Abdrehen.
Sie stakste auf unendlich hohen Hacken den Flur entlang und dann meine schöne alte Holztreppe hinauf, und ich zuckte im Takt ihrer zierlichen Füßchen.
»Heiliger Strohsack!« Unger stand in der Küchentür. »Was war das denn?«
»Die Zukunft der deutschen Nation«, gab ich Bescheid.
»Du bist frauenfeindlich«, giftete Bettina.
»Ein bißchen«, sagte ich. »Dein Text ist gut, Junge. Wenn du ihn auf die Hälfte kürzt, wird er blendend sein.«
»Auf die Hälfte?« fragte er entsetzt. »Da steckt Herzblut
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