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Eifel-Gold

Eifel-Gold

Titel: Eifel-Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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hatte mir eine Pappschachtel tschechoslowakischen Tabaks mitgebracht, der Taras Bulba hieß. Ich holte den Tabak aus dem Handschuhfach, gab ihn Wassi und sagte: »Das ist wie eine Erinnerung, oder?«
    Er starrte auf das Päckchen und begann zu lachen. »Schlimmer Tabak«, strahlte er. »Holt dir Lunge aus dem Körper. Ganz schlimmer Tabak. Aber gut! Danke.«
    »Machorka?« fragte ich.
    »So ähnlich. Aber viel schlimmer.« Er lachte und roch an dem Päckchen. »Ist nur gut, wenn du an der frischen Luft bist. Sonst du kannst nicht atmen. Wir sagen immer: Wenn du diesen Tabak rauchst, mußt du unheimlich gesund sein.«
    »Können wir einen Spaziergang machen?«
    »Können wir. Aber ich muß mich etwas waschen. Komm mit, ich mach schnell.« Er stand auf und lief vor mir her in das Heim. Es ging durch die Eingangshalle, dann eine Pendeltür zu einer Treppe in den ersten Stock. Es roch, als habe jemand das ganze Haus mit einer Desinfektionslösung abgewaschen. Im ersten Stock ging es nach links, dann in einen großen Raum, der vollkommen zugebaut war mit Bergen voller alter Koffer, Kisten und Bündel. Über diese Berge waren bunte Decken und Wachstücher gebreitet. Dazwischen ein zweistöckiges Feldbett und zwei einzelne Betten. Vor dem Fenster ein Tisch mit einer Zimmerantenne und einem Fernseher. Ein Stuhl. Auf dem Stuhl eine breitgesichtige, ungeheuer freundlich wirkende junge Frau.
    »Meine Frau«, stellte Wassi vor. Er drehte sich nach rechts. Ein Waschbecken, Mengen von Zahnbürsten, Seifen, Tuben. »Ich wasche mich schnell.«
    Die Frau reichte mir die Hand und lächelte.
    »Ich bin der Baumeister.«
    Sie nickte, sie sagte nichts.
    »Wir leben in diesem einen Zimmer«, erklärte Wassi und drehte den Wasserhahn auf. »Es ist nicht gut, aber es geht. Die Gilles, die Maria Gilles, ist Heimleiterin. Ist sehr gut. Tut alles für uns, jeden Tag, egal ob Samstag oder Sonntag.« Er schaufelte kaltes Wasser in das Gesicht und gegen die Brust. Seltsamerweise stellte ich mir vor, daß die öde Waschgelegenheit eine Quelle im Wald war, seltsamerweise stellte ich mir sogar vor, daß irgendein Eichhörnchen dem Wassi bei der Säuberung zuschaute.
    Ich wußte, daß es eine Ehre war, in sein Zimmer mitgenommen zu werden. »Habt ihr Hoffnung auf eine Wohnung?«
    »Oh ja, haben wir«, prustete er. »Mußt du Geduld haben. Wir sind Deutsche, wir wollen hier leben. Die Eifel ist gut.«
    »War es nicht gut in Kasachstan?«
    Die Frau schüttelte schnell den Kopf, und Wassi meinte: »Es war nicht gut, weißt du. Es war so, daß die Politiker in Bonn sagten, wir Deutschen bekommen einen deutschen Staat dort. Aber in Wirklichkeit, sie haben gelogen, denn die Russen wollen gar keinen deutschen Staat oder deutsche Gebiete dort. Wir arbeiten hart, wir arbeiten besser als die Russen, und so werden sie unsere Feinde. Ich glaube, Feinde ist nicht gut, ich glaube, es ist mehr so, daß wir arbeiten und sie sehen zu. Und so haben wir gesagt, wir gehen nach Deutschland, dort sind unsere Leute hergekommen. Unter den Zaren, du weißt schon, sie wollten uns damals haben, weil wir gut arbeiten. Jetzt sind wir wieder hier.«
    Er trocknete sich das Gesicht mit einem Handtuch ab und zog sich ein Hemd über. »Jetzt Spazierengehen.« Er sagte irgend etwas auf Russisch und erklärte: »Sie spricht noch nicht gut Deutsch. Aber das wird schon.«
    Ich nickte der Frau zu, und wir gingen hinaus in den dunklen Flur. »Sie will lieber heim nach Rußland«, sagte ich.
    »Ja«, bestätigte er einfach. »Sie ist Russin, verstehst du? Das ist etwas ganz anderes. – Wo gehen wir spazieren?«
    »Laß uns dorthin gehen, wo das Geld geklaut wurde.«
    »Ah, ja«, grinste er und nahm den ersten Feldweg nach rechts, den einzig direkten Weg. »Glaubst du, es war so was wie die Moskau-Mafia, Tirana-Mafia oder Sizilien-Mafia?«
    »Das weiß ich nicht. Es sieht so aus. Aber vielleicht soll es so aussehen.«
    »Kann sein. Wenn es so aussieht, haben sie Zeit, nicht wahr?«
    »Ja, dann haben sie Zeit«, nickte ich.
    »Polizei hat mich gefragt. Und meine Freunde aus anderen Heimen. Sie haben jeden gefragt: Wo warst du am Samstag mittag gegen 11 Uhr, gegen 12 Uhr? Wo warst du genau? Wir sind alle gefragt worden.« Sein Ton ließ darauf schließen, daß er leicht beleidigt war.
    »Sie müssen fragen, das ist Routine.«
    »Haben sie dich auch gefragt?« Er lächelte leicht. »Sie haben dich nicht gefragt. Du bist großer Mann, du bist nicht in Verdacht. Weil du großer Mann bist, kein

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