Eifel-Gold
mal das organisierte Verbrechen. Das Ding ist doch so perfekt gelaufen, das müssen doch sozusagen erstklassige Profis gewesen sein, oder?«
»Das könnte sein«, bestätigte Marker mit sehr breitem Mund. »Aber wir wollen auch hören, falls in der Bevölkerung andere Gruppen genannt werden.«
»O ja, die gibt es natürlich«, erwiderte er schlicht. »Die verrückteste, die ich bisher gehört habe, ist diese: Es war die Polizei.« Er hatte vor Belustigung ganz schmale Augen.
Eine Weile herrschte eisiges Schweigen, dann sagte Rodenstock sichtlich konsterniert: »Das ist aber doch Unsinn!«
»Also, so ein großer Unsinn ist das durchaus nicht.« Willi breitete beschwichtigend die Hände aus. »Da steckt durchaus Köpfchen dahinter. Wenn jemand das Ding ganz sicher drehen wollte, dann ... dann ...«
»Das ist aber doch irre«, rief Unger.
»Laß ihn doch mal«, sagte Rodenstock ruhig. »Wieso also Polizisten? Ein paar Minuten nach dem Kladderadatsch war doch ein Streifenwagen da.«
Nun machte meinem Bürgermeister die ganze Sache Spaß. »Also, ich muß betonen, daß ich diese Theorie nicht vertrete, aber trotzdem ist was dran.« Er grinste wieder. »Sehen Sie mal, man sagt immer, daß der Eifler zwar erst mit sechs Monaten die Augen aufmacht, daß er aber dann wirklich alles sieht. Klar war da sofort ein Streifenwagen. Was ist denn, wenn der gar nicht zufällig daherkam?«
»Lieber Himmel«, sagte Rodenstock verblüfft, »das ist wirklich faszinierend. Diese ersten Beamten am Tatort können die Nachforschungen exakt so lange durch emsige Tätigkeit behindern, bis der Tieflader irgendwo ist, wo ein anderer Lkw auf ihn wartet. Meinen Sie das?«
»Das meine ich«, grinste Willi.
»Das kann nicht ganz sein«, wandte ich ein. »Ich war dort. Die Beamten hatten natürlich die ersten zwei, drei Minuten vor lauter Überraschung so etwas wie einen Schock, aber dann haben sie verdammt gut die Ringfahndung aufgestellt. Das glaube ich nicht, das glaube ich einfach nicht.«
»Ist ja nur ein Gedankenspiel«, beruhigte mich Willi. »Man kann daran erkennen, auf was die Leute alles kommen.«
»Jedenfalls zeigt es, daß man meinen uniformierten Kollegen hier alles Mögliche zutraut«, seufzte Marker. »Sagen Sie«, begann er aufs neue, »gibt es denn keine Theorie, die halbwegs realistisch ist?«
Willi verstand die Frage sofort, aber sicherheitshalber blickte er hilflos in die Runde. Dann räusperte er sich und murmelte: »Ja, ich dachte, Sie würden mich jetzt darüber informieren, was Sie wissen.«
»Wir sind uns nicht schlüssig«, entgegnete Marker und schien in tiefes Nachdenken versunken.
Rodenstock schüttelte mißbilligend den Kopf, sagte aber nichts. Elsa lächelte auf den Fußboden.
»Verdammt, nun führen Sie ihn doch nicht vor«, fluchte Unger.
»Heh!« rief Marker scharf.
»Unger hat recht«, entschied ich. »Das ist kein gutes Spiel. Paß auf, Willi. Jemand hat seit dem Wochenende unendlich viel Geld. Er verschenkt es nämlich.«
Er sah mich mit sehr ruhigen Augen an, blickte dann zwischen seinen Beinen zu Boden und stöhnte: »Ach du Scheiße!«
»Bitte, Willi«, bat ich. »Du mußt irgend etwas gehört haben. Du solltest das jetzt sagen. Ob es stimmt oder nicht, ist zunächst wurscht.«
Er atmete in einem heftigen Stoß aus. »Landratsamt! Es ist so, daß das Geld in Zeitungspapier gewickelt war, daß es beim Hausmeister nachts vor die Tür gelegt wurde. Dabei war ein Zettel. Ziemlich schlimm.«
»Was ist schlimm?« fragte ich.
»Auf den Zettel hatten sie Buchstaben geklebt. Ausgeschnitten. Die Behörden sollen das Geld für vier Häuser im Kreis verwenden, in denen Asylbewerber untergebracht sind. Damit nicht noch einmal so eine Schweinerei passiert wie damals mit dem Gymnasium.«
»Was war damals?« hakte ich nach.
»Vor ein paar Jahren kamen aus dem Osten die Deutschstämmigen. Da hat ein Gymnasium einen Wirbel gemacht und geschrien: Her damit! Sie haben die Turnhalle ausräumen wollen und als Lager angeboten. Aber nach vierundzwanzig Stunden war das vorbei. Angeblich haben Eltern den Schuldirektor angerufen und gesagt, sie wollen nicht, daß ihre Tochter in eine Schule geht, in der Russen in der Turnhalle sind. Plötzlich hat keiner mehr von der Turnhalle geredet. Die Landesregierung konnte die Flüchtlinge nicht schicken. Wir bekamen später natürlich trotzdem welche. Ich als Bürgermeister kann nur sagen: Wir wissen nicht mehr, wie wir das finanzieren sollen. Die Eifel war immer arm und
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