Eifel-Jagd
Lesepublikums, Narben-Otto war eine journalistische Erfindung, und
er war es verdammt gern. Angeblich war er ein praktischer Arzt, der durch
Intrigen seiner Frau um seine Praxis gebracht worden ist und der daraufhin sozusagen
aus Protest zum Penner wurde. Die ganze Geschichte war erfunden, gut erfunden.
Tatsächlich war dieser Narben-Otto Arzt gewesen, aber er war immer eine höchst
zweifelhafte Figur, und er hat nicht nur wegen falscher Abrechnungen vor dem
Kadi gestanden, sondern auch wegen des schwunghaften Handels mit schweren Betäubungsmitteln.
Mit anderen Worten: Er hätte in jedem Fall seine Zulassung als Mediziner
verloren. Aber das wollte die ehrenwerte Kundschaft ja gar nicht wissen.
Plötzlich war er der Heilige aller Düsseldorfer Penner. In Wirklichkeit hat er
dauernd Geschäfte gemacht. Mit den Pennern übrigens auch. Narben-Otto war
jemand, der nicht nur seine Mutter verkauft hat, sondern das gleich dreimal pro
Tag an drei verschiedene Partner. Es ist richtig, daà Julius Berner der Ansicht
war, Narben-Otto habe ihm in einer körperlichen Krise das Leben gerettet. Und
es ist auch richtig, daà Julius Berner den ehemaligen Arzt in die Eifel holte,
um es ihm zu ermöglichen, sich hier im Bauwagen eine neue Existenz aufzubauen.
Aber: Narben-Otto fing sofort an, seinen Gönner zu betrügen, indem er nämlich
den Bauwagen als Hauptquartier benutzte und von dort aus eine ganze Heerschar
von Dealern lenkte, Abtreibungsspezialist wurde und dann noch in den Dienst des
deutschen Zolls trat, um genau die Dealer zu verpfeifen, die er gleichzeitig
steuerte. Der Mann war einfach ein Schwein. Ich weià übrigens nicht, wer ihn getötet
hat. So viel zu Narben-Otto. Und jetzt lassen wir die Spaghetti kochen, und ich
mach derweil die SoÃe.«
»Stimmt es denn Ihrer Ansicht nach, daà Julius Berner von dem
Rauschgifthandel und den Abtreibungen nichts wuÃte?« fragte ich.
Er grinste mich an. »Wir können uns duzen, das ist guter Brauch
in der Eifel. Es wird nicht möglich sein zu beweisen, daà Berner davon wuÃte.
Aber das ist auch unwichtig, wie man gleich sehen wird. Berner hat die Gabe,
unangenehme Dinge einfach nicht zur Kenntnis zu nehmen. Die Eifel ist für ihn
die absolut heile Welt, und in der darf es nicht einmal einen unangenehmen Gedanken
geben.«
»So isses«, nickte Stefan Hommes. »Genau so isses.«
»Also, wenn ich das richtig verstehe, hast du Narben-Otto hier
entdeckt und dann sofort seine Verbindung zu Julius Berner festgestellt, und
damit auch zu Cherie und der Clique der Jugendlichen?« hakte ich nach.
Ballmann nickte. »Das war mehr als einfach, denn Narben-Otto
verscherbelte groÃe Teile seiner Drogen nach Düsseldorf. Und er setzte fast die
ganze Clique als Kuriere ein, wobei die dämlichen Jungen und Mädchen sich auch
noch ganz groÃartig vorkamen, daà sie sich auf ein derart gefährliches
Abenteuer einlieÃen. Ich sage euch, ein groÃer Teil der Clique hat bei diesen
Kurierfahrten vollkommen bekifft oder vollkommen stoned die deutschen Autobahnen
strapaziert. Die haben mindestens achtzehn Kilogramm Heroin voll im
Drogenrausch in die Landeshauptstadt gebracht. Fast jeden Monat. Das Gewicht
des hereingebrachten Haschischs dürfte bei ungefähr sechs Tonnen liegen. Und
alle Welt ist der Meinung, die Eifel liegt am Arsch der Welt, hat keine Ahnung
und wird von Ureinwohnern bevölkert, die nicht mal zur Kenntnis genommen haben,
daà es Telefone gibt.« Er lachte kehlig. »Doch ich muà zugeben, daà die mobile
Truppe des Deutschen Zolls in Trier die einwandfrei beste und schnellste an
allen Westgrenzen ist. Die Jungs machten etwas Geniales: Sie sagten sich, wenn
Narben-Otto schon ein Schwein ist, warum lassen wir ihn dann nicht ein Schwein
sein? Soll er uns doch seine Dealer-Kumpel verpfeifen! Und was macht
Narben-Otto? Er ist einverstanden. Zu diesem Zeitpunkt war ich als Undercover
allein an dem Fall und bemühte mich herauszufinden, wieviel Berner von alledem
wuÃte. Und dann versuchte ich zu klären, wieviel Cherie von allem wuÃte. Und,
verdammt noch mal, das Luder wuÃte fast alles!«
»HeiÃt das, daà sie meinen Chef betrogen hat?« fragte Stefan
Hommes.
»Betrogen ist nicht das richtige Wort«, wehrte er schnell ab.
»Sagen wir mal, sie wuÃte von den Drogen, sie wuÃte von den Kurierfahrten, sie
wuÃte von den Abtreibungen, sie hat
Weitere Kostenlose Bücher