Eifel-Jagd
rannte los, weil Emma etwas Kostbares in meinem Leben ist
und weil ich auf keinen Fall dulden wollte, daà jemand ihr etwas antat.
Ich lief also in Emmas Richtung und stieà auf den Mann, der
gekniet hatte. Er kniete schon wieder, und er richtete eine Waffe auf mich,
schwenkte sie dann schnell nach rechts. Er muÃte Emma töten, wenn er jetzt
schoÃ. Und er schoÃ.
Ich brüllte etwas und warf mich auf ihn. Ehe ich landete und
sämtliche Knochen im Leibe spürte, hörte ich in unendlich weiter Ferne einen
SchuÃ. Ich spürte, daà der Mann stoÃweise atmete. Mein Knie befand sich dicht
unterhalb seines Kopfes, und ich zog es mit aller Gewalt hoch. Er war
augenblicklich bewuÃtlos.
Plötzlich kam Emma auf mich zu, lässig wie bei einem
Spaziergang, und sagte: »Das warâs!«
Wie eine Detonation erklang die Stimme Andreas Ballmanns.
»Alles klar, Leute. Der Dritte liegt hier.«
Da erkannte Stefan Hommes mit hoher, gequälter Stimme: »Oh
ScheiÃe! Das sind Leute von uns«, und Rodenstock fragte augenblicklich nach:
»Was sagst du?«
Rodenstock und Stefan Hommes holten den dritten Mann heran, der
eine SchuÃverletzung im linken Wadenbein hatte und vor Schmerzen nicht gehen
konnte. Der Mann, den ich unschädlich gemacht hatte, bewegte sich träge. Der
Dritte, den Emma so kühl angeschossen hatte, hielt sich die linke Schulter
fest.
»Jetzt muà ... jetzt muà mein Chef verhaftet werden«, sagte
Stefan Hommes fast monoton. »Jetzt ist es wirklich zu Ende. Das sind
Waldarbeiter von uns, Polen, die seit vielen Jahren bei uns arbeiten. Das da
ist zum Beispiel Pjotr. Ein guter Arbeiter.« Dabei wies er auf den Mann, den
Emma in die Schulter getroffen hatte. »Pjotr, du Arsch! Was hast du dir dabei
gedacht?«
»Habe ich nichts gedacht«, sagte Pjotr muffig. »Habe ich
Auftrag, mache ich Auftrag.« Er war ein kleiner, quadratisch gebauter Mann, er
wirkte zugleich zäh und bärenstark. Sein Haar war lang und blauschwarz, seine Gesichtszüge
freundlich, aber überlagert von Schmerz und einer tiefen Melancholie.
Wahrscheinlich gehörte er wie Hommes zu den Menschen, die ihre Existenz einem
Mann namens Berner verdankten und die jetzt begreifen muÃten, daà auch ein Typ
wie Berner mattgesetzt werden konnte.
»Notarzt?« fragte Rodenstock.
»Auf jeden Fall«, nickte Emma. »Und Kischkewitz. Das mache
ich.«
Während sie telefonierten, schrie Stefan Hommes weiter
aufgebracht: »Verdammt noch mal, Pjotr, du muÃt doch wissen, auf was du dich da
eingelassen hast. Hat Berner befohlen, den Mann zu töten? Nein, nein, antworte
lieber nicht. Natürlich hat er das. Ich will es eigentlich nicht wissen, aber
wie konntest du so ein Arschloch sein? Du bist ein kluger Mann, Pjotr, und du
hattest das Geld für dein Haus zusammen. Mein Gott, bist du verrückt? Und was
wird jetzt aus deiner Frau und den Kindern? Oh, Gott, bist du ein Arschloch.«
Er wurde immer lauter und immer schriller, und trotz des nur langsam
emporsteigenden Morgenlichtes war zu erkennen, wie bleich er war, und seine
Hände zitterten stark, wenn er nicht mit ihnen herumfuhrwerkte und sie
sekundenlang zur Ruhe kamen. Er war vollkommen aus dem Gleichgewicht geraten.
»Beruhige dich«, sagte ich. »Nichts wird so heià gegessen, wie
es gekocht wird.« Ich bin scheinbar ein Spezialist für dämliche Sprüche, dachte
ich in mattem Zorn.
»Mensch, die meisten Polen kommen an die Mosel und in die
Eifel, um zu arbeiten wie die Wilden. Meistens kriegen sie fünf Mark die
Stunde, schlafen auf Stroh und fressen Vierfruchtmarmelade von Aldi auf
Wasserbrot, das kein Mensch sonst essen würde. WeiÃt du, wie es denen geht? Ich
habe dafür gesorgt, daà Pjotr einen festen Job hat und anständig bezahlt wird.
Berner unterstützt das. Und jetzt geht dieses Arschloch hin und ... Sag doch
selbst, das ist doch eine Art Selbstmord.«
Die beiden anderen Polen waren jetzt auch wach, und ihre Augen
waren hell und neugierig.
»Wer hat dir gesagt, du sollst Cherie töten?« fragte Hommes
wieder. »Nein, keine Antwort. Ich flippe aus, ich flippe gleich wirklich aus.
Warum Mathilde Vogt? Pjotr, wir sind doch hier nicht im Krieg, und du bist ein
kluger Mann.«
Rodenstock drehte sich zu uns herum. »Die Leute von Kischkewitz
kommen gleich, ebenso wie der Notarzt und der Rettungshubschrauber.«
Weitere Kostenlose Bücher