Eifel-Jagd
oder?« Er sprach leise, er brauchte nicht laut werden, er strahlte
eine sehr dichte Unnahbarkeit aus. Dann grinste er. »Sie wissen doch, wie das
in der Eifel ist. Auch wenn Sie keinen Menschen sehen, Sie werden gesehen, und
ziemlich schnell weià das ganze Dorf, daà Sie durchgefahren sind. Und meistens
wissen sie auch schon, was Sie zum Frühstück gegessen haben und ob Sie
gutgelaunt sind, oder nicht. So ist das nun einmal.« Er lachte fröhlich und
bespöttelte offen meine Unsicherheit. »Und jetzt wundern Sie sich über
Chemieklo, Generator, Wassertanks und Flüssiggas. Sie fragen sich, wen ich
bestochen habe.«
»Richtig«, nickte ich.
»Niemanden«, flüsterte er spielerisch. »Ich stehe unter dem
Schutz einer mächtigen okkulten Gott-Vater-Figur.« Dann veränderte sich seine
Stimme, und er fügte sachlich an: »Ich weià wirklich nicht, wer Cherie ins
Jenseits befördert hat. Und natürlich weià ich auch nicht, wer Mathilde Vogt
tötete. Ich weià überhaupt erstaunlich wenig.«
Frag nicht nach, Baumeister, sei auf keinen Fall aufdringlich!
Halt den Mund und hör zu!
»Tja, dann kann ich ja gleich wieder verschwinden und brauche
Sie nicht weiter zu stören. Ich dachte, Sie könnten mir diese oder jene
Kleinigkeit erzählen. Sie kennen ja die penetrante Art von Journalisten. Ich
gehe mir zuweilen selbst auf den Wecker. Ãbrigens, wissen Sie, daà Sie hier in
der Gegend als Penner aus Düsseldorf bezeichnet werden, der in einem früheren
Leben Dr. med. war?«
Er lächelte irgendwohin. »Ja, das weià ich. Und es ist richtig,
daà ich einmal ein Penner war. Und daà ich Dr. med. bin, stimmt auch.«
Ich bemühte mich um ein freundliches Grinsen. »Sind Sie
Frührentner?«
»Nein. Haben Sie Lust, mit mir zu frühstücken?«
Sicherheitshalber schaute ich auf die Uhr, um nicht den
Eindruck zu erwecken, allzu gierig auf ein solches Frühstück zu sein.
Vorsichtig sagte ich: »Eine Stunde Zeit hätte ich.«
»Das ist doch prima«, sagte er und ging vor mir her zu seinem
Bauwagen. »Wissen Sie, ich kriege hier nicht oft Besuch.«
»Aber Cherie war doch schon hier«, bluffte ich.
»Oh ja, sie war hier. Mehrere Male. Wäre sie gestern gekommen,
würde sie wahrscheinlich noch leben. Hat sie Ihnen gesagt, daà sie hier war?«
Das war ein entscheidender Punkt. Entweder bluffte ich mich
durch, oder ich sagte ihm die Wahrheit. Ich sagte die Wahrheit, weil ich seine
klaren Augen fürchtete und weil ich ihn als Informant nicht verlieren wollte.
»Ich habe sie nie kennengelernt. Ich habe nicht die geringste
Ahnung, weshalb sie in der Eifel war, weshalb sie getötet wurde. Bis gestern
habe ich nicht gewuÃt, daà es sie gibt. Ein junger Förster hat mir geraten, zu
Ihnen zu gehen und Sie zu fragen.« Ich schaute ihn an und dachte etwas trotzig:
Frià es oder stirb dran!
Er nahm es mit Haut und Haar: »Endlich mal jemand, der nicht so
tut, als habe er alles Wissen der Welt mit der Heugabel gefressen.«
Dann machte er die Tür auf und sagte: »Herzlich willkommen.«
Das Innere des groÃen, langen Wagens war erstaunlich gestaltet.
Es gab eine Einbauküche, einen Küchentisch für sechs Personen, eine groÃe
Sitzecke mit Fernseher, ein abgeschlagenes Abteil, das Badezimmer
wahrscheinlich. Alles war in WeiÃblau gehalten, alles wirkte gediegen.
»Die Unterkunft eines Penners ist das aber wirklich nicht.« Ich
stand auf einem fast knöcheltiefen Teppichboden.
»Das war einmal«, meinte er. »Natürlich wollen Sie wissen,
warum ich hier lebe ...«
»Ja, ja, und wen Sie bestochen haben.« Ich konnte mir die
Bemerkung nicht verkneifen.
»Ich sagte schon, Gottvater hält die Hand über mich. Nein, im
Ernst, ich habe einen sehr mächtigen Gönner, die Berner Aktiengesellschaft,
genauer Julius Berner, Unternehmer aus Düsseldorf. Er hat mir den Wagen
spendiert, er hat ihn ausstaffiert. Er ist der Jagdherr hier, und ich war
einmal sein Hausarzt. So einfach ist das. Seit vier Jahren bin ich jeden Sommer
hier, und wahrscheinlich werde ich in diesem Jahr damit beginnen, auch im
Winter hierzubleiben. Mögen Sie zum Frühstück ein Ei? Tee? Kaffee?«
»Ein Ei wäre gut, ein Kaffee wäre genehm. Haben Sie Lust, mir
von Cherie zu erzählen und wieso sie hier im Wald
Weitere Kostenlose Bücher