Eifel-Jagd
hat die zweite Tote entdeckt?«
»Same procedure as every day. Ein Bauer, der Holz aus dem Wald
weggefahren hat. Wir hören voneinander.«
»Ja«, sagte ich, aber er hatte schon unterbrochen.
Satchmo wälzte sich auf dem Teppich herum, und ich hielt ihm
einen Vortrag: »Da gibt es eine 42jährige schwangere Mami, die aus dreihundert
Metern Entfernung mit einem Schuà aus einer 44er Winchester getötet wird. Sage
mir keiner, in der Eifel sei nichts los.«
Satchmo schnurrte ganz laut, er hatte null Bock auf Verbrechen.
Zweites Kapitel
Erika Schallenberg, sechsundzwanzig Jahre alt, genannt Cherie,
sehr gepflegt, sehr blond, sehr langbeinig, zu Hause in Düsseldorf, zu Hause
bei denen, die Geld haben. Warum wirst du auf einem Waldweg in der Eifel
getötet, hingerichtet?
Dann diese Jägerin Mathilde Vogt, zweiundvierzig Jahre alt und
schwanger. Mutter zweier Kinder. Gab es einen Ehemann? Kischkewitz hatte es
nicht erwähnt, ich hatte nicht gefragt. Ich hatte mich auch nicht für Spuren am
Tatort interessiert, ich hatte etwas verkrampft gedacht: Eine zweite Leiche ist
zuviel. Ich überlegte, wenn Kischkewitz etwas stark Auffälliges entdeckt hätte,
dann hätte er es gesagt. Ich vergesse die Vogt und konzentriere mich auf
Cherie.
Es war sechs Uhr morgens, der Himmel über dem Dach der Brücker
Kirche war von rosaroten Streifen durchzogen, die aussahen wie die Reste von
Kondensstreifen, Wolken gab es nicht. Von Heyroth tuckerte der erste Bauer mit
einem Heulader die StraÃe hinunter, die ersten Autos zogen durch, die Mopeds
knatterten, der Tag räkelte sich.
Die Katzen waren nicht da, wahrscheinlich bekam Satchmo bei
Willi und Paul Unterricht im Mäusefangen. Ich könnte mich auf den Garten
konzentrieren, endlich gründlich mähen, die Ecken und Kanten säubern, die
Umrandung des Teiches aufschütten, Gras einsäen, den moorigen Teil des Beckens
um ein Drittel vergröÃern und das Grün auf der langen Mauer schneiden. Dann
muÃten ein paar Bruchsteine auf der Mauerkrone neu fixiert werden, weil ein
paar gelangweilte Jugendliche sie in einer der vergangenen Nächte mutwillig heraus
gebrochen hatten. Jemand hatte erzählt, sie seien stinkbesoffen gewesen und
hätten anschlieÃend auf dem neuen Kinderspielplatz an der Kirche herumgelärmt.
Wahrscheinlich waren sie mehr als gelangweilt, wahrscheinlich waren sie total
gefrustet, wahrscheinlich war ihr Leben öde.
Ich setzte einen Kaffee auf und rasierte mich. Paul kam ins Bad
und inspizierte mich. Das macht er jeden Morgen, er schaut nach, ob alles okay
ist.
»Ich bin okay«, sagte ich. Er sah mich eingehend an und maunzte
leise. Natürlich hatte das damit zu tun, daà er Dinah suchte und nicht fand. Er
machte kehrt, er würde weitersuchen.
Selbstverständlich begann ich nicht zu arbeiten, ich betrat den
Garten nicht. Ich fuhr nach einer zweiten Tasse Kaffee los, um diesen
Narben-Otto zu besuchen.
Ganz entfernt tauchte der Gedanke auf, daà es viel zu früh am
Tage sei, aber ich dachte auch: Jemand, der im Wald lebt, wird schon wach sein.
Ich nahm den gleichen Weg wie am Vortag, machte in Gerolstein
halt und kaufte mir zwei belegte Brötchen, die ich vor mich hin mampfte. Bevor
sich die StraÃe steil über Eigelbach nach unten schraubt und die ersten Häuser
von Kopp klein wie Spielzeug in den Falten der Höhen sichtbar werden, steht
rechter Hand das Kreuz, ein seltenes Stück Eifler Frömmigkeit aus rotem
Sandstein, das mit Flechten bewachsen ist. Am Fuà hat dieses Kreuz eine
Höhlung, in der ein Mönch sitzt, der Jesus auf dem Schoà hält. Vielleicht ist
es aber auch die Mutter Maria, gestiftet von einer Bauernfamilie.
An dieser Stelle führte ein Feldweg nach rechts in die Wiesen,
vielleicht vierhundert oder fünfhundert Meter bis zum Waldrand. Dort muÃte es
sein, wenn Christian Reuter recht hatte. Ich war miÃtrauisch, weil ich mir
nicht vorstellen konnte, daà Forstbehörden es dulden, wenn jemand in einem alten
Bauwagen haust und dazu noch ein leibhaftiger Penner ist. Ein Wald hat
ordentlich und also ohne Bauwagen unter dem Eifelhimmel zu stehen.
Ich lieà den Wagen stehen und ging den Rest des Weges zu FuÃ.
Der Wald war Mischwald, und der Bauwagen stand in einer Nische
des Randes, die fünfzig Meter breit und zwanzig Meter tief war. Die Behausung
war ein gutes, solides Stück, gefügt aus
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