Eifel-Jagd
schweren Brettern, die wohl ursprünglich
einmal blau gestrichen waren. Auf der Querseite stand in groÃen weiÃen
Blockbuchstaben BERNER AG . Irgend
etwas an diesem Anblick störte mich, ich konnte aber zunächst nicht ausmachen,
was das war. Gegenüber auf der anderen Seite des Feldweges befand sich eine
Wiese. Dort lag ein groÃer Bruchstein. Ich hockte mich auf ihn und begriff, daÃ
mich die Perfektion störte. Es war reine Idylle, und Idylle bereitet mir immer
Unwohlsein.
Normalerweise findet man Bauwagen im Wald der Eifel nur dort,
wo im Forst ganz groÃe Einschläge gemacht werden oder die SAG mit einer neuen
Erdgasleitung durchzieht oder Industriegelände ausgebaut wird. Die Regel ist,
daà die Bautrupps mit geradezu peinlicher Akribie auf Sauberkeit achten. Da
liegt kein Papier herum, da wird man selbst nach Zigarettenkippen vergebens
suchen, da wird jeder Restmüll in Säcke gepackt und mit nach Hause genommen.
Mir fiel auf, daà der Bauwagen auf einer groÃen Fläche Roter
Fingerhut stand, der steil wie leuchtende kleine Fahnen seine Blütenstände
empor reckte. Es gab nur eine ganz schmale Gasse, auf der keine Blume wuchs und
die vor der Tür an der Stirnseite endete. Da stand eine breite kleine Leiter,
drei Stufen bis zur Tür. Ãber der Schrift BERNER
AG gab es zwei ausreichend groÃe Fenster. Vor den Fenstern jeweils ein
Blumenkasten mit feuerroten Geranien. Das wirkte sehr liebevoll gepflegt, das
erschien noch normal. Nicht normal dagegen wirkten zwei groÃe Plastiktanks, wie
sie bei vielen Häusern für das Heizöl verwendet werden. Sie waren hinter einem
Erdwall zu mehr als der Hälfte im Erdreich vergraben. Von dort führten
Leitungen in den Bauwagen. Neben diesen beiden Tanks war ein Stahlbehälter in
den Boden eingelassen, von dem ebenfalls eine Leitung in den Wagen führte:
Flüssiggas. Vom Penner werde ich mich verabschieden müsse, dachte ich. Das
alles ist zu schön und viel zu ordentlich, das alles ist viel zu sauber, da
haust ein zwanghafter Bürokrat, der sich einbildet, ausgestiegen zu sein.
Ich ging weit rechts an dem Bauwagen vorbei in den Wald. Ich
suchte den Lokus und glaubte auf einen Donnerbalken zu treffen. Ich fand
keinen, statt dessen ein transportables Klo aus Stahl mit einer groÃen
Schublade am FuÃ. Ein Chemieklo. Unmittelbar daneben ein Gehäuse, das aussah
wie aus Zink, einen Meter hoch, zwei Meter lang mit einer Klappe im oberen
Bereich: ein Dieselmotor, ein Generator. Narben-Otto versorgte sich selbst mit
Strom.
»Darf ich fragen, was Sie hier machen?« fragte er hinter mir.
Ich hatte ihn nicht kommen hören, hatte die Tür des Bauwagens
nicht gehört; ich war der festen Ãberzeugung gewesen, daà niemand diesen
Bauwagen verlassen konnte, ohne von mir gesehen zu werden.
Jetzt stand er da, knapp zwei Meter entfernt und sah mich
freundlich an. Er war gut einen Kopf gröÃer als ich, vielleicht fünfundfünfzig
Jahre alt, glatt rasiert mit dunkelbraunem Haar, das von silbernen Streifen
durchzogen war. Seine Augen waren von einem hellen Blau, nicht wäÃrig. Er trug
einen Pullover, der nach Esprit aussah, dazu eine Kordhose über sehr massiven Bergschuhen. Die Schuhe waren
frisch geputzt und wirkten völlig fehl am Platz, als habe er sich verirrt.
»Ich suche einen Mann mit dem Spitznamen Narben-Otto«, erklärte
ich. »Aber da Sie keine erkennbaren Narben haben, nehme ich an, Sie sind es
nicht.«
»Doch, ich bin es«, lächelte er. »Die Narben sind auf meinem
Rücken, man sieht sie nicht. Und weshalb suchen Sie mich?«
»Wegen Cherie«, sagte ich.
»Sie sind kein Polizist«, stellte er fest.
»Richtig, bin ich nicht.«
»Also Journalist«, murmelte er. »Ja, ich nehme an, Sie sind
Journalist. Es geht also um Cherie. Ach ja, sie war ein nettes Mädchen, die
Gute.« Er starrte vor sich auf die Spitzen seiner Schuhe. »Komisch, daà es
ausgerechnet sie erwischt hat, wirklich komisch. Haben Sie ihre Leiche
gesehen?«
»Habe ich.«
»Dann sind Sie dieser Baumeister, Siggi Baumeister.« Er
lächelte.
»Sehr erfreut.« Ich verbeugte mich etwas ironisch. »Woher
kennen Sie mich?«
Er hatte plötzlich groÃe runde Augen. »Ich kenne Sie gar nicht.
Ein Bauer in Kopp hat mir gesagt, daà Sie gestern am Tatort waren. Zusammen mit
dem Adamek von Radio RPR . Das ist
doch so,
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