Eifel-Jagd
vergessen darf: Wann wollte die Clique das nächste Mal zusammenkommen?«
»Am kommenden Wochenende«, sagte Stefan Hommes.
»Können Sie die Einladung aufrechterhalten? Wir würden gern mit
jedem sprechen.«
»Selbstverständlich«, nickte Berner.
»Dann noch etwas«, fuhr ich fort. »Da gibt es angeblich einen
jungen Unbekannten, der durch die Wälder streift und in einem Zelt nächtigt. Kein
Mensch weiÃ, wer das ist.«
»Doch«, sagte Stefan Hommes. »Ich. Der Mann heiÃt Boll und
schreibt eine Arbeit über Waldblumen in der Eifel. Botaniker. Ein richtiger
Freak, ein Eigenbrötler. Manfred Boll aus Wuppertal. Ich habe mir den
Personalausweis zeigen lassen.«
Ich notierte mir den Namen. »Und Sie lassen ihn weiterarbeiten?«
»Aber sicher. Jedes Buch aus der Eifel nutzt der Eifel. Und der
Mann ist eher ein Waldmensch. Man sieht es, wie er sich bewegt.«
»Hat er eine Waffe bei sich?«
»Ich habe keine bemerkt. Und ich denke, der braucht auch keine.
Ich habe beobachtet, wie er vollkommen lautlos ein steiniges Bachbett
durchquerte. Nichts war zu hören, nicht einmal sein Atem. Vollkommen lautlos.
Beim nächsten Mal frage ich ihn, wo er das gelernt hat. Ein harmloser Zeitgenosse.«
»Dann wollen wir jetzt verschwinden«, meinte Rodenstock.
»Halt«, warf ich ein, »ich habe noch eine Frage. Herr Berner,
Sie sind Jäger. Ich denke mal, ein leidenschaftlicher. Ich verstehe nichts von
der Jagd. Aber die Tiere haben doch gegen Jäger nicht die geringste Chance. Ist
das so?«
»Das ist so. Auch wenn immer geschwafelt wird, das Wild hätte
eine faire Chance. Von fair kann keine Rede sein, und von Chance erst recht
nicht. Ich kenne jemanden, der Schwarzwild mit Hilfe von Maisfeldern jagt. Je
von der Methode gehört? Nein. Nun gut. Der Mann läÃt in seinem Revier zwei,
drei groÃe Maisfelder anlegen. Jahr um Jahr. Natürlich werden die eingezäunt.
Dann, zur Jagdzeit, wird der Zaun auf einer Schmalseite geöffnet. Die Tiere
wischen in das Maisfeld. Und sie bleiben tagelang drin, wenn man sie nicht
stört. Aber man stört sie. Sie werden abgeschossen wie in einer SchieÃbude. Wir
nennen das Massaker!«
Stefan Hommes nickte energisch.
»Ist das nicht eine merkwürdige Meinung für einen leidenschaftlichen
Jäger?« fragte Rodenstock.
»Richtig«, antwortete Berner. »Aber ich bin jetzt sechzig, und
ich will nicht mehr jagen. Ich habe die Nase voll. Ich behalte die Jagd, weil
es mir Freude bereitet, durch die Wälder zu gehen. Die Abschüsse, die ich pro
Jahr frei habe, verschenke ich. Neulich habe ich mich dabei erwischt, daà ich
mit einer Schrotflinte loszog und die Munition vergessen hatte. Cherie sagte
auch immer: Ach, laà die Tiere doch leben. Stefan fischt manchmal die kranken
Tiere aus den Rudeln. Das muà einfach sein, das gehört zur Hege.«
»Was ist denn das für ein Gefühl, ein Tier zu töten?« fragte
ich weiter.
»Da gibt es verschiedene Ansichten. Manche sagen, das ist das
Ausleben des Machtanspruchs des Menschen. Andere meinen, der Jäger befriedigt
sich und seine Triebe. Bei mir war es so, daà ich Verantwortung für meine Jagd
habe und einfach dafür sorgen muÃ, daà mein Haus bestellt ist.« Er horchte in
sich nach. »Nein, da war niemals das Gefühl der Befriedigung, da war überhaupt
wenig Gefühl.«
»Eine Frage abseits der Norm«, bemerkte Rodenstock. »Was kostet
Sie die Jagd pro Jahr?«
»Das ist kein Geheimnis«, antwortete Berner leichthin. »Es ist
eine sehr groÃe Jagd, und sie kostet hier im Kyllwald 150.000 Mark. Dann kommen
noch die Geldgeschenke an die Möhnen, an die Freiwillige Feuerwehr, an den
Sportverein, an den Männergesangverein, an den Adventsnachmittag für die
Senioren, an den Anglerverein und schlieÃlich auch noch die FuÃballmannschaft
Theke e. V. Sie können davon ausgehen, daà ich die Jagd mit runden 200.000 Mark
ansetze.«
»Warum ein solcher Haufen Geld?« fragte Rodenstock etwas
verzweifelt. »Ein paar Schüsse auf Hirsche und Rehe und Wildschweine sind doch
kein Gegenwert.«
»Das ist schlicht falsch, mein Lieber. Ich denke, daà diese
Jagd mir pro Jahr etwa fünfzig bis einhundert Millionen Umsatz einbringt.« Er
starrte uns an, als hätten wir die Pflicht erstaunt zu sein. Und wir waren
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