Eifel-Jagd
abhaken?«
»Das geht«, nickte Rodenstock. »Jetzt keinen Fehler machen und
nichts übersehen.«
Plötzlich atmete Hommes sehr ausgeprägt, es war fast ein
Stöhnen.
»Wenn er zu sich käme, das wäre gut«, murmelte Emma. »Moment
mal.« Sie legte zwei Finger auf die linke Halsschlagader, und es war
sekundenlang still. »Kräftig«, teilte sie uns zufrieden mit, »sehr kräftig.«
Rodenstock drückte mir den Schlüsselbund in die Hand: »Hol den
Wagen, hier kann sowieso kein Notarzt landen. Ich benachrichtige den
ADAC-Hubschrauber. Er kann unten in St. Thomas warten.«
Ich rannte sofort los, und überraschenderweise ging mir auf der
Strecke zu dem Mercedes die Luft nicht aus.
Ich fuhr zu der Lichtung hoch und dachte flüchtig: Wieso ist
dieser Manfred Boll nicht hier? Wo sind denn sein Zelt und sein Opel Kombi? Er
kann doch nicht ein Messer in Hommes rammen und sich dann verdünnisieren. Doch,
dachte ich sofort, das kann er wohl!
Ich setzte den Wagen rückwärts um die liegende Buche herum, so
daà ich mit der Hecktür unmittelbar neben Hommes stand. »Wir klappen die Sitze
um und legen ihn auf die Ladefläche. Kommt der Hubschrauber bald?«
»Die sind schon in der Luft«, sagte Rodenstock nachdenklich.
»Ist dir eigentlich an dem Messer etwas aufgefallen?«
»Ich bin kein Spezialist für Messer. Ich wundere mich, daà er
nicht einfach zur Seite gekippt ist, daà er so aufrecht sitzt.«
»Er hat sich irgendwie mit dem Rücken festgepreÃt«, meinte
Emma. »Rodenstock sagt, es ist ein Profi-Wurfmesser, wie es die Leute im Zirkus
verwenden, wenn sie eine schöne blonde Frau mit Messern umrahmen.«
Ich legte die Rückbank um und verankerte sie. Dann breitete ich
Decken aus, es waren glücklicherweise welche da. Es gab zwei zusätzliche lose
Polsterkissen, die als Kopfkissen dienen konnten.
»Und was bedeutet das?« überlegte ich laut.
»Das bedeutet, daà dieser Manfred Boll, der seit fünf Jahren
tot ist, mindestens so gefährlich ist wie eine Horde wütender Kreuzottern«,
antwortete Rodenstock. »Wenn wir Hommes anheben, müssen wir synchron arbeiten,
sonst werden die Schmerzen für ihn unerträglich.«
Wir machten es so sanft wie möglich. Hommes wurde wach und
stöhnte, war aber gleich darauf wieder bewuÃtlos.
»Ich nehme seinen Kopf in den Schoë, sagte Emma. »Das ist
sicherer.«
Ich muÃte mich zusammennehmen, um nicht zu schnell und
schlingernd den Berg herunterzufahren. Ich blieb im dritten Gang und gab erst
Gas, als wir die StraÃe nach St. Thomas erreicht hatten. Der gelbe Hubschrauber
stand diesseits der Kyll kurz vor der Mündung des Heilbaches.
»Vermutlich starker Blutverlust«, sagte Rodenstock zu dem Mann,
der ein Schild Notarzt auf seine
Jacke geheftet hatte. »Das Messer steckt noch. Vorsicht.«
»Komisch, diese Eifler«, der Notarzt schüttelte den Kopf. »Wie
im Wilden Westen.«
Dann betteten die Sanitäter den Wildhüter auf die Trage.
Nachdem sie ihn versorgt hatten, schoben sie die Trage auf die Schienen, und
der Hubschrauber hob wieder ab.
»Sollen wir Berner den Mercedes bringen?« fragte Emma.
»Klar«, sagte ich. »Dann kannst du ihn auch mal unter die Lupe
nehmen.«
Â
Da Rodenstock von unterwegs Berner informiert
hatte, öffnete er uns das Tor und erwartete uns in der Haustür.
»Ich habe mit dem Krankenhaus gesprochen«, berichtete er. »Die
Ãrzte meinen, Stefan geht es gut. Sie haben das Messer rausgeholt und ihn
vernäht. Er bekommt Bluttransfusionen, er muà bei bester Kondition sein. Die
Leute im Krankenhaus haben nur ein rechtliches Problem: Es handelt sich um eine
schwere Körperverletzung, wahrscheinlich sogar um versuchten Totschlag oder
versuchten Mord. Sie müssen das selbstverständlich anzeigen. Kommen Sie herein.«
»Das ist meine Gefährtin. Sie heiÃt Emma«, erklärte Rodenstock
nebenbei.
»Aha«, nickte Berner freundlich und reichte ihr die Hand. »Die
Polizistin aus den Niederlanden.«
»Woher wissen Sie das?« fragte Emma erstaunt.
»Von Stefan«, gab er zur Antwort. »In der Eifel weià man so
etwas. Was hat sich denn im Wald abgespielt?«
»Keine Ahnung«, sagte Rodenstock und folgte ihm in den Flur.
»Hommes hatte ein Wurfmesser in der Schulter und
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