Eifel-Jagd
beachtete
Berufsrituale zu Grunde, wenn ich das richtig kapiert habe. Da tobt ein Krieg
im Geheimen, der manchmal skurril ist und manchmal einfach brutal. Und zwar die
Wildhüter der Jagdherren gegen die staatlichen Forstbeamten. Die Jagdherren
werden oft durch ihre festangestellten Wildhüter vertreten. Die Jagdherren
haben in der Regel für viel Geld pro Jahr die Jagd gepachtet, unterstützen
Vereine in den Gemeinden, die örtliche katholische Bibliothek und so weiter. Da
fällt auch schon mal ein halbes neues Kirchendach ab, da wird der
Ortsbürgermeister in seinem Amt unterstützt ...«
»Moment mal«, unterbrach mich Emma. »Wem gehört der Wald denn
eigentlich? Er gehört doch nicht den Jagdherren, oder?«
»Nein. In der Eifel ist in der Regel die Jagdgenossenschaft
Eigentümer. Die Genossenschaft wiederum ist die Versammlung der Waldeigentümer.
Das können Bauern sein, aber auch Privatleute, die durch Erbschaft an ein Stück
Wald gekommen sind, das kann die Gemeinde selbst sein, aber auch ein Vertreter
der jeweils örtlichen Staatsforste. An diese Genossenschaft richten die Jagdherren
ihre Angebote, und die Genossenschaft sucht sich den Menschen als Pächter aus,
der ihr am meisten bringt. Es geht also einfach um Geld. Damit ist die Seite
der Jagdpacht zunächst erledigt, und das Normale ist, daà der Jagdpächter, wenn
er sich gut mit der Genossenschaft verträgt, über Jahre hinweg die Pacht immer
wieder bekommt, bis er das Interesse verliert und ein anderer an seine Stelle
rückt. Damit die Jagdherren ständig im Forst vertreten sind, kommen die Wildhüter
ins Spiel, die die Interessen der Pächter vertreten. Und die Wildhüter bolzen
nun auf die staatlich bestellten Förster. Es gibt hier einfach automatisch
groÃe Differenzen in den Interessen. Der Jagdpächter will in der Regel gut
jagen können, der Wildbestand soll so hoch wie möglich sein, so daà er seinen
Geschäftsfreunden eine breite Palette Abschüsse bieten kann. Dafür zu sorgen,
das ist die Aufgabe seines Wildhüters. Ein Förster aber hat ganz andere Aufgaben.
Vom Holzeinschlag über die Anpflanzung junger Bäume muà er immer auch im Kopf
haben, daà der Forst eine möglichst gewinnbringende wirtschaftliche Unternehmung
ist. Der Förster muà unter anderem auch das Waldwegnetz erneuern und instand
halten. Und weil Wild, nahezu alles Wild, junge Bäume friÃt, also verbeiÃt, ist
für den Förster zuviel Wild eine regelrechte Plage. Es zwingt ihn dazu,
Anpflanzungen einzuzäunen, doch der Jagdpächter haÃt diese Einzäunungen, weil
sie sein Jagdgebiet zerstückeln. Ich habe mal irgendwo gelesen, daà in
deutschen Wäldern genügend Zäune stehen, um zwei- oder dreimal die Erde zu
umrunden.«
»Und wer gewinnt in der Regel?« fragte Rodenstock.
»Die Position der Jäger ist stärker, weil sie in der Regel das
Geld haben und mit diesem Geld sehr viel Druck auf Ortsbürgermeister und
Bürgermeister ausüben. Selbstverständlich muà der Jagdherr dem zuständigen Forstamt
alle VerbiÃschäden entschädigen. Und das ist der nächste Punkt im erbitterten
Streit, denn eigentlich will kein Jagdpächter jährlich Tausende löhnen, weil
seine Rehe an SchöÃlingen herumknabbern.«
»Und dieser Stefan Hommes ist also der Wildhüter des reichen
Julius Berner?« fragte Emma.
»So isses«, nickte ich. »Nach meiner Kenntnis gibt es
Wildhüter, die schlichtweg den Napoleon-Komplex pflegen. Es hat einen Fall
gegeben, in dem ein Wildhüter viel benutzte Waldwege einfach abgesperrt hat, um
zu zeigen, wie mächtig er ist. Daraufhin haben wütende Bauern dem Wildhüter
jeden Tag die Reifen seines Autos zerstochen. Bis der Wildhüter dann aus dem
Wald kam und einen gebrochenen Unterkiefer hatte. Am nächsten Sonntag morgen
nach der Messe hat er ein Bier mit dem getrunken, der ihm den Unterkiefer
gebrochen hatte. Der Wildhüter wuÃte: Wenn ich so weitermache, werde ich bald
keinen heilen Knochen mehr im Leib haben. Selbstverständlich haben auch die
Förster subtile Formen des Widerstandes entwickelt. Wenn zum Beispiel sich
Jäger aus gesellschaftlichen Gründen, sprich: um zu saufen, im Wald
zusammenfinden, dann schreit der Förster schon mal nach der Polizei, weil die
Autos der Jäger wie an einer Schnur aufgereiht auf einem Feldweg
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