Eifel-Jagd
viertausend, das schwankte, das richtete sich nach
unserer Kriegskasse. Mal mehr, mal weniger.«
»War er geldgeil?« fragte ich.
»Ja, eindeutig. Für Geld machte der alles, wirklich alles.«
»Und Julius Berner wuÃte nichts davon?«
»Nicht das geringste.«
»Narben-Otto war also Teil einer Undercover-Recherche?« fragte
Rodenstock.
»Richtig.«
»Wieviele Leute sind noch daran beteiligt?«
»Keine Auskunft. Diese Leute sind in Gefahr, wenn ich das
beantworte.«
»Verstanden«, nickte Rodenstock.
»Wenn ich mir vor Augen führe, daà Narben-Otto in der Nähe des
Jagdhauses Büdesheim in tiefer Stille hauste, dann muà er seine Funktion dort
oben erfüllt haben. Mit anderen Worten: Kontrollierte Narben-Otto einen
Drogenweg?« Diese Idee war sehr plötzlich über mich gekommen.
»ScheiÃe!« kommentierte Jentsch knapp. »Richtig.«
»Und er kontrollierte den Drogenweg mit Hilfe des kleinen
Geländefahrzeugs?«
»Auch richtig.«
»Dann nehme ich an, daà er an einem Kontrollpunkt getötet
wurde, daà der Steinbruch ein Treffpunkt war«, fragte ich weiter.
»Wieder richtig.« Der Zollmann fuhr fahrig mit den Händen über
die Schreibtischplatte. »Ich sage euch, was war. Dieses Frage- und Antwortspiel
geht mir auf den Geist.«
Umständlich fummelte er in seinem Jackett herum und brachte
endlich eine zerknautschte Schachtel Zigaretten zum Vorschein. »Meine Nerven«,
erklärte er, als die Zigarette brannte. Er paffte wie jemand, der noch nie im
Leben geraucht hatte, es wirkte irgendwie trotzig.
»Eine schnelle Frage noch«, sagte Rodenstock. »Also glaubst du,
daà Narben-Otto im Zuge dieser Drogenarbeit getötet wurde?«
Er nickte. »Für uns ist das eigentlich ganz einleuchtend:
Irgend jemand auf der Gegenseite muà ihn enttarnt haben und lieà ihn dann
umbringen. So einfach ist das.«
»Ich werde dir gleich erklären, daà das nicht so einfach ist«,
versprach Rodenstock. »Aber erkläre uns deine Nummer.«
»Wir arbeiten in dieser Sache eng mit dem Hauptzollamt in
Düsseldorf zusammen, aber auch mit sämtlichen Zolleinheiten, die an den Grenzen
zu den Niederlanden, zu Luxemburg, zu Belgien und zu Frankreich stationiert
sind. Das ist eine Riesennummer.«
»Um wieviel Geld geht es denn?« fragte ich.
»Um einen StraÃenverkaufswert von mindestens dreihundert
Millionen Mark pro Jahr«, erklärte Jentsch und lieà das ein wenig sacken, ehe
er fortfuhr. »Wir kamen vor rund drei Jahren auf die Spur von Belgiern und Niederländern,
die sich auf den Drogenexport in die Bundesrepublik spezialisiert haben. Unsere
mobile Fahndungseinheit hier in der Eifel, die die effizienteste ganz
Deutschlands ist, war mehrere Male auf Holländer und Belgier gestoÃen, die
Drogen als Touristen transportierten. Sinnigerweise immer zusammen mit ihren
Kindern, manchmal auch mit Oma und Opa. Die ganze Palette von Kokain über
Heroin bis hin zu Ecstasy und Amphetaminen. Das war eine geradezu unheimlich
gut gemachte Geschichte. Sie lief nicht über Autobahnen und nicht über
BundesstraÃen ab, in der Regel ging es über die grüne Grenze und dann über
winzige LandstraÃen, zum Teil über Wirtschaftswege, Feldwege, Waldwege. Ich
deute euch die generelle Richtung an: Der Weg führte aus dem Gebiet der
belgischen Gemeinde Bertrath an der Our Richtung Grenze. Von dort nach
Hallschlag, Ormont und Roth bei Prüm. Die hatten unheimlich raffinierte Tricks
drauf. Zum Beispiel fuhren sie mit den Drogen einen Parkplatz an und ohne
Drogen weiter. Die wurden von Wanderern mitgenommen, manchmal zwanzig
Kilometer, manchmal nur zehn, aber manchmal auch dreiÃig Kilometer weit. Und
die Wanderer gaben das Zeug an Landwirte weiter, die es per Trecker die
nächsten Kilometer mitnahmen, bis irgendein Autofahrer auftauchte und die Ware
abnahm, um sie weiter zu transportieren. Zum Teil wuÃten die Treckerfahrer gar
nicht, was sie transportierten, und die Wanderer hatten oft keine Ahnung, was
sie im Rucksack trugen. Und niemals glich eine Route einer anderen oder wurde
ein Kurier zweimal eingesetzt. Sie bewegten sich kreuz und quer durch den
gesamten Naturpark Nordeifel nach Steffeln, Duppach, Schwirzheim, Weinsheim,
Wallersheim. Dann bündelte sich das und lief wie in einem trompetenförmigen
Trichter auf Kopp zu.
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