Eifel-Jagd
gewollt haben?«
»Ich weià es nicht, es ist nur ein Gefühl. Der SWR und RTL haben je ein Team dort, die Aufnahmen von dem Wagen machen. Was
hat der Zoll ergeben?«
»Nicht über Telefon.«
»So hei�«
»So heië, ich unterbrach die Verbindung und instruierte
Rodenstock.
»Na, denn fahren wir mal«, sagte er gemütlich. »Endlich tut
sich was, endlich Bewegung im Karton.«
Er nahm die Autobahn 48 bis zur Ausfahrt Manderscheid und
zeigte mir dann, wie schnell der Wagen ist, wenn ein erfahrener Mann ihn
steuert. Rodenstock war gut gelaunt, er summte die ganze Zeit irgendwelche
schnulzigen Operettenmelodien nach dem Motto âºSchenkt man sich Rooohsen in
Tirooohl ...â¹
In Birresborn bog er nach links ab und zog den Berg hinauf nach
Kopp. Dann brach hinter uns das Gewitter los, und es zog sehr schnell heran,
der Regen schüttete wie aus Eimern, Blitz und Donner folgten immer schneller aufeinander,
bis nach zehn Minuten das Unwetter genau über uns war. Rodenstock hielt auf
einem Parkplatz, ein Weiterfahren war nicht möglich.
»ScheiÃwetter!« sagte er.
»Das Wetter in der Eifel ist noch handgeschnitzt«, sagte ich.
»Darauf sind wir stolz. Ein richtiges Gewitter, ein richtiger Sommerregen â das
sind die Sachen, die ich so mag. Du stehst irgendwo rum, bist naà bis auf die
Haut und fühlst dich klasse.«
»Bis zum Ausbruch der Erkältung«, fügte er trocken hinzu.
»Wärst du jetzt lieber im Süden?« fragte ich.
»Oh nein«, gab er zu. Er starrte durch die Windschutzscheibe in
das unendliche Grün der Hügel jenseits der StraÃe. »War hier eigentlich immer
Wald?«
»Nach menschlichen Begriffen von Zeit ja. Hier haben schon die
römischen Kaiser gejagt. Die saÃen damals in Trier. Viel später gehörte das
Gebiet der Abtei in Prüm, die den Wald dann Bertrada schenkte, der Mutter Karls
des GroÃen. Der jagte hier auch. Dann war es ein kurfürstliches Jagdrevier, ein
napoleonischer Wald, anschlieÃend ein preuÃischer Forst. Der halbe Adel Europas
hat hier den Hirsch gehetzt. Der Kyllwald ist seit zweitausend Jahren
nachweislich Jagdrevier, und die Eifler standen daneben und hatten Hunger und
durften nur von Zeit zu Zeit die Treiber spielen. Das Hochwild war dem Hochadel
vorbehalten: Hirsche, Sauen. Hochwild nennt man es deshalb, weil es eben dem
Hochadel zustand. Das Niederwild war entsprechend für den niederen Adel â
Hasen, Fasane und Enten. Wurde ein Nicht-adeliger beim Jagen erwischt, drohte
ihm der Tod.«
»Baumeisters Lehrstunde«, spottete er.
Ungerührt setzte ich hinzu: »Die Eifler haben gelernt, unter
strenger Herrschaft zu leben. Und sie haben überlebt. Und das, verdammt noch
mal, ist ihre herausragende Leistung. Du kannst übrigens weiterfahren.«
Die starken Windböen waren eingeschlafen, der Regen fiel dicht
und gleichmäÃig, und wie immer bei starker Nässe war das Grün des Waldes so
intensiv wie Neonlicht.
Rodenstock zog gemächlich die StraÃe hoch, und wir sahen die
Lkws linker Hand sofort. RTL und SWR prangte da auf den Bordwänden. Kein
Mensch war zu sehen. Rodenstock bog in den kurzen Weg zum Haus ein, und wir
blickten auf den orangefarbenen Opel mit dem Münchner Kennzeichen.
Rodenstock fuhr daran vorbei und hielt dann an. Sie standen
alle zusammen in der offenen Scheune, rauchten und froren ein biÃchen. Aber sie
waren offensichtlich gut gelaunt, und ihre Gesichter waren offen und hungrig
nach einer guten Story. Es waren fast zehn Leute, und die Hälfte von ihnen
waren junge Frauen.
Wir stiegen aus, sagten artig: »Guten Morgen« und betrachteten
eingehend das Innere des Opels. Der Wagen war wirklich ein altes Schätzchen,
und möglicherweise würde er nicht mehr durch den TÃV kommen.
»Da ist nichts von Bedeutung drin«, murmelte Rodenstock.
»Wirklich gar nichts. Ein alter Kölner
Express , ein Stück Butterbrotpapier oder was das ist. Der Botaniker hat
wahrscheinlich gründlich aufgeräumt, ehe er die Karre hier abstellte. Sieh mal,
sogar der Aschenbecher ist geputzt, und es würde mich nicht wundern, wenn er
seine Fingerabdrücke weggewischt hätte.«
Wir stellten uns zu den beiden Aufnahmeteams, und niemand
fragte uns, wer wir seien und für wen wir recherchierten. Es wurde deutlich,
daà sie einfach eine Zigarettenpause zum AbschluÃ
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