Eifel-Jagd
scheuchte sie
rum, lieà sie Unterlagen anschleppen. Und dann fand sie irgendeine Statistik
über Forellen nicht. Er schrie sie an, er habe die Schnauze von ihrer
Zickigkeit voll und er müsse sich, wenn das so weitergehe, von ihr trennen. Ich
konnte es nicht fassen, das war quasi eine fristlose Entlassung.«
Nur unsere Schritte auf dem weichen Waldboden waren zu hören,
unterbrochen von dem kurzen, hellen Knacks, wenn wir auf einen trockenen Ast
traten. Ein Eichelhäherpärchen schoà in wilden Flugbewegungen zwischen den
Stämmen hindurch und verschwand hangauf.
Plötzlich setzte sich der Wildhüter auf einen Baumstumpf, sah
mich nicht an, starrte zwischen seinen Beinen auf den Boden. »Klar, ich weiÃ,
wenn Sie meinem Chef was nachweisen, bin ich arbeitslos. Und einen solchen Job
werde ich nicht mehr kriegen. Vielleicht einen als Waldarbeiter, wenn ich
Schwein habe. Komisch, als Cherie und Mathilde tot aufgefunden wurden, wuÃte
ich sofort: Das ist genau der Skandal, der ihm und mir das Genick brechen wird.
Ganz egal, ob wir daran beteiligt sind oder nicht.«
»Sie haben Angst, nicht wahr?« Acht Schritte weiter war ein
zweiter Baumstumpf. Ich setzte mich.
»Klar«, nickte er. Da war unzweideutig eine groÃe Traurigkeit
in seiner Stimme, ein Zittern. »Meine ganze Lebensplanung ist dann im Eimer.«
Und dann, nach einer unendlich langen Pause: »Ich wollte Ende des Jahres heiraten.«
Es war grotesk. Nie hatte ich von Stefan Hommes als Ehemann
gedacht, er war immer ein Teil des Eifellebens von Julius Berner gewesen, nie
jemand, der in Eigenverantwortung ein eigenes Leben aufbaut, der eine Frau
liebt, der vielleicht Kinder haben will, der Träume hat, ganz normale kleine
menschliche Träume. Warum, um Gottes willen, leiden wir alle unter einem verengten
Blickwinkel?
Leise sprach er weiter: »Sicher, Berner war immer so etwas wie
der liebe Gott, er war wie ... wie ein Wohltäter. Er ist hier zu Hause. Und es
ist meine Aufgabe, ihm dieses Zuhause irgendwie gut zu machen. Ich habe
wirklich nie Grund gehabt, mich über ihn zu beschweren. Er ist einfach gut, er
ist einfach der ideale Chef. Er mag die Eifler und tut alles, was er tun kann.
Da ist ein Waldarbeiter zusammengebrochen. Hirnblutung. Die Kasse wollte es
nicht als Arbeitsunfall anerkennen. Was macht Berner? Er macht der Krankenkasse
Feuer unter dem Arsch, daà ihr das Wasser im Mund kocht, und unterstützt die
Frau und die vier Kinder so lange mit Geld, bis die Krankenkasse klein beigibt.
So ist er. Und dann diese Brutalität mit der Sekretärin. Was ist das? Können
Sie mir erklären, was das ist?«
»Ich habe darauf keine Antwort. Ich könnte antworten, so ist
das Leben, aber das ist platt und dämlich. Berner ist ein guter Mann, und
wahrscheinlich ist er auch ein schlechter Mann. Wen wollen Sie heiraten?«
»Sie heiÃt Trude, wir sind seit sechs Jahren zusammen. Sie ist
ein Gerolsteiner Mädchen, immer gutgelaunt. Ich glaube, ich kenne sie seit
Kindergartentagen. Berner will uns einen kostenlosen Kredit für ein Haus geben.
Trude besitzt ein Grundstück Richtung Hillesheim. Oh, ScheiÃe, ScheiÃe,
ScheiÃe!« Er schlug sich klatschend auf die Oberschenkel. »Was für häÃliche
Flecken?«
»Es sind nur Vermutungen, und wir sind dabei, sie zu beweisen.
Tatsache ist, daà Berner viermal mit irgendwelchen Firmen Pleite machte, ehe er
ab Mitte der achtziger der perfekte Manager wurde. Keine Pleite mehr, keine
Panne mehr, kein Fehler im Management, statt dessen Aufstieg, Aufstieg,
Aufstieg. Was immer er anfaÃte, bekam einen goldigen Schimmer. Konkurrenten, deren
Geschäft er haben wollte, drängte er brutal aus der Welt. Einer hat sich erhängt,
weil Berner ihm keine Chance zugestand. Aber das ist nur ein kleiner Teil der
Geschichte. Es geht damit weiter, daà der Sohn dieses Selbstmörders Mitglied
der Clique war, die sich um Berner gebildet hat. Dessen Freundin gehörte auch
zu der Gruppe. Sie kennen sie gut: Enzo und Jenny. Die Clique verbreitete das
Gerücht, die beiden seien schwul. Das Schlimme ist, daà Ihr Chef Berner das
ohne jeden Beweis geglaubt und selbst weiterverbreitet hat. Enzo und Jenny sind
so wenig schwul wie Sie, Hommes. AuÃerdem, selbst wenn? Sie selbst haben das
mit der Schwulität auch geglaubt, das haben Sie selbst gesagt. Wo leben wir, im
Mittelalter? Hexenverfolgung? Und es ist immer noch
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