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Eifel-Müll

Eifel-Müll

Titel: Eifel-Müll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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war vollkommen vereitert. Huhu musste bestialische Schmerzen haben.
    »Tut das weh?«, fragte ich.
    »Weh«, nickte er. »Huhu trinkt das da.« Er wies auf eine Flasche auf der hinteren Ablage – ein Obstler aus der Eifel, 42 Prozent.
    »Das ist gut«, lobte ich. »Du kannst Aspirin haben.« Ich fummelte in der Weste herum, die ich über mein Sportdress gezogen hatte, und reichte ihm einen Streifen mit Tabletten.
    »Eine?«, fragte er sachlich.
    »Vier«, riet ich.
    »Vier«, nickte er. Er nahm die Pillen mit einem gewaltigen Schluck aus der Schnapsflasche.
    »Du musst das verbinden«, sagte ich. »Du musst deine Hand unbedingt verbinden lassen. Ich habe einen Verbandskasten im Auto.«
    Er sah mich misstrauisch an. »Kein Arzt.«
    »Kein Arzt«, versprach ich. »Nur meine Freundin. Vera. Sie wartet im Auto. Ich hole den Verbandskasten. Einverstanden?«
    »Okay«, nickte er.
    Ich bemerkte die Schweißperlen auf seiner Stirn. Er musste Fieber haben, hohes Fieber. Sein Gesicht war von Erschöpfung gezeichnet, aber auch erfüllt von einer unbegreiflichen Ruhe, als könne ihm nichts auf dieser Welt gefährlich werden.
    »Ich gehe eben und komme sofort wieder«, sagte ich.
    Langsam kletterte ich aus dem Auto, langsam ging ich durch die Dunkelheit der Scheune hinaus auf den Hof. Dann zuckte ich zusammen.
    »Beinahe wäre ich reingestürmt«, sagte Vera neben mir. Sie stand breitbeinig an der Mauer und hielt mit beiden Händen die Waffe.
    »Hol den Verbandskasten«, bat ich. »Der Junge braucht Hilfe.«
    »Wie ist er denn?«
    »Wie ein Kind«, sagte ich. »Und er hat Fieber. Aber im Augenblick ist er gut drauf.«
    Vera lief davon. Als sie mit dem Verbandskasten in der Hand zurückkam, gingen wir wieder in die Scheune. Ich ließ Vera vor und sie beugte sich in das Auto und sagte: »Hallo, Huhu.«
    Er murmelte »Hallo«, achtete aber nicht auf sie, sondern sah mich an. »Kein Arzt.«
    »Kein Arzt«, sagte ich. »Wir müssen deine Hand verbinden.«
    Ich hockte mich vor das Lenkrad mit dem Gesicht zu ihm, Vera kauerte links von mir auf dem Beifahrersitz.
    »Mein Gott«, hauchte sie, »das sieht ja furchtbar aus. Und es stinkt schon.« Sie legte eine Hand auf seine Stirn und er schloss für Sekunden die Augen, als täte ihm die Berührung unendlich gut. »Gibt es irgendwas Steriles da drin?«
    »Das wird wenig nutzen«, sagte ich. »Das ist schon entzündet.«
    »Das ist scheißegal«, stellte sie resolut fest. »Lass mich mal sehen.« Sie kramte in dem Verbandskasten herum. »Hier sind Brandbinden, scheinbar mit Puder oder so was. Vielleicht nehmen wir die? Huhu? Leg mal deine Hand auf Siggis Knie. Hierher. So ist es gut. Tut es weh?« Sie legte eines der Küchentücher über mein Knie, nahm mit unendlicher Vorsicht die zerstörte Hand und bettete sie darauf.
    »Sehr weh«, sagte er zittrig.
    »Da machen wir jetzt ganz vorsichtig was drauf«, Veras Stimme war sachlich. »Du bist wirklich tapfer, Huhu, du bist klasse.«
    Er lächelte, die Schweißperlen auf seiner Stirn waren mehr geworden und sein Lidschlag wurde länger. Er war auf eine Weise betrunken, wie man es von den Verbandsplätzen der Kriege berichtet hatte: Keine taumelnde und lärmende Trunkenheit, es war der Zustand gläserner Starre, erregter Wachheit und fieberhafter Tätigkeit des Hirns.
    Vera arbeitete vorsichtig und konzentriert und verschaffte mir Zeit, mich mit Huhu zu unterhalten, wenngleich seine spärliche Kindsprache immer gedehnter und langsamer wurde. Zwischendurch sagte er immer häufiger erstaunt und angstvoll: »Huhu!« Er sagte das zu sich selbst, es klang wie eine Mahnung, vorsichtig mit diesen Fremden zu sein, es klang aber auch so, als sei er erstaunt, noch zu leben.
    »Sven war dein Freund, nicht wahr? Dein bester Freund.«
    »Ja. Sven Freund, viel Freund. Kein Arzt!«
    »Es kommt kein Arzt. Vera macht das gut, nicht?«
    Huhu sah sie an und beobachtete, wie sie sanft Mull auf eine eiternde Kante legte. Dann nickte er: »Gut.«
    »Und Natalie? Was war Natalie? Eine Freundin?«
    Keine Zustimmung, keine Abwägung, keine Sympathie. »Freundin für Sven. Manchmal. Manchmal nicht. Viel Trickitracki.«
    »Trickitracki?«
    »Ja, Bett.« Dann deutete er erregt auf sein Kopfkissen. »Hier!«
    »Auf Normaldeutsch meint er: Geschlechtsverkehr«, murmelte Vera.
    »Nati ist tot. Hast du Nati gesehen?«
    Er schüttelte erregt und heftig den Kopf. »Nein, nein, nein. Nati nicht gesehen.« Etwas Speichel floss aus seinen Mundwinkeln. »Wo Nati?«
    »Das ist weit

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