Eifel-Ralley
schien gewillt, in das Leben des Walter Sirl hineinzukriechen.
Paul antwortete: »Davon habe ich nichts mitbekommen, aber möglich ist das. Das gibt es hier in der Eifel ja öfter, daß jemand dreißig, vierzig und fünfzig wird und sich keine Frau an Land zieht. Ist ja mal so, der eine will es, und der andere hat kein Interesse. Hier gibt es ja nicht umsonst die Junggesellenvereine, die ihre Feste machen. Der Walter mischte überall mit. Freiwillige Feuerwehr, Sportverein, Anglerverein und Thekenmannschaft Fußball. Er machte alles mit, aber er gehörte nicht dazu, weil er eben kein Mädchen hatte und auch keins wollte. Die anderen haben ihre Mädchen, machen auch bei den Festen mit, heiraten irgendwann, bauen ein Haus, kriegen Kinder. Und Walter lebte eben bei seiner Mutter. Meine Frau sagt immer: Walter wird schon rot, wenn man ihn nur grüßt.«
»Hatte er denn irgendwo am Ring ein Zimmer? Irgendwo ein Bett? Sie haben gesagt, er hat da oben fast gelebt.«
»So meinte ich das nicht.« Paul schüttelte den Kopf. »Bei uns hier mußt du für eine Schachtel Aspirin zwanzig Kilometer mit dem Auto fahren. Wenn ich sage, er lebte da oben, dann meine ich, daß er dauernd hinfährt. Seine Maschine war ja schnell, dauert ja nur ein paar Minuten. Und nachts geht es wieder zurück. Die Eifeler fahren immer zurück, wenn es irgendwie machbar ist.«
»Hatte er ein Auto?« fragte Rodenstock.
»Aber ja. Er hatte einen Transit für den Betrieb und einen Brühwürfel, wenn er seine Mutter irgendwohin fahren mußte.«
»Einen was?« fragten wir gleichzeitig.
»Ach so.« Paul grinste. »Ich meine einen Golf. Wir nennen den Golf Brühwürfel.«
Rodenstock lachte leise. »Sagen Sie mal, wo fangen bei Ihnen die Autos an und wo hören sie auf?«
»Die modernen Autos taugen nichts mehr. Bei uns ist der alte Kadett König, genauso wie der alte RS 2.000 Escort. Das sind Karren, die wir pushen können. So auf zweihundert bis auf zweihundertzwanzig PS. Bei den neuen Autos ist alles elektronisch hergestellt und elektronisch zusammengebaut. Da wird nichts mehr repariert, da wird nur noch ausgetauscht. Da lernst du ein Fahrzeug nicht kennen.«
»Und wie funktioniert das mit den alten Kadetts?«
»Wir brauchen mit sechs Leuten rund zweieinhalbtausend Stunden, um so ein Ding auf die Piste zu kriegen.« Er hob den Zeigefinger. »Unbezahlt, klar.«
»Zurück zum Walter Sirl«, mahnte Rodenstock. »Er ist also ein prima Kumpel, aber er hat Schwierigkeiten mit Frauen. Ist das richtig?«
»Viele Rennsportfreaks haben enorme Schwierigkeiten mit Frauen.« Paul lächelte. »Frauen widersprechen, Motoren nicht.«
»Ist seine Mutter so eine Frau, die jede andere Frau aus dem Haus rausbeißt?« fragte ich.
»Das wird so gewesen sein«, nickte er. »Es ist wie im wirklichen Leben. Das war mal ein kleiner bäuerlicher Betrieb. Der Vater ging für die Gemeinde im Wald arbeiten, hatte nebenbei zwei Kühe, ein paar Schweine, ein paar Schafe, was weiß ich. Dann stirbt der Vater, die Felder und Wiesen werden verpachtet, weil Walter kein Interesse hat an der Landwirtschaft. Er lebt mit seiner Mutter, es geht ihm gut. Er kriegt sein Essen, seine Wäsche. Wenn er damit doch zufrieden ist?«
»Ich meinte das nicht kritisch«, sagte ich. »Hatte er denn Frauen, die von der Mutter rausgeekelt worden sind?«
»Wir kennen eine, nein, halt, wir kennen zwei. Ich habe mich ja nicht drum gekümmert, aber meine Frau sagt, die konnten der Mutter nichts recht machen. Wenn sie mal gekocht haben, hat die Mutter das weggeschüttet und gesagt, sowas würde ihr Walter niemals essen. So läuft das doch immer ab, oder? Keine Frau hatte bei Walter eine Chance.«
»Und?« fragte Rodenstock gierig. »Hat Walter das registriert?«
Paul nickte eifrig. »Das wissen doch alle diese Typen. Aber sie sind zu bequem, sich auf die Hinterbeine zu stellen oder einfach auszuziehen.«
»Was machen solche Männer denn dann? Etwas Zuwendung braucht der Mensch, oder?« Rodenstock lächelte.
»Na ja, da gibt es Frauen genug. In Kneipen, in Puffs, was weiß ich. Dann saufen die sich einen an, bis sie genug Mut haben, und kaufen sich eine. So ist das eben. Ich weiß, daß Walter ganz hilflos war, wenn eine Frau was von ihm wollte oder ihn gut fand und mochte. Du konntest sicher sein, daß er sofort die Hosen voll hatte und die Segel strich. Er setzte sich dann auf seine Harley und verschwand.«
»Kennst du zufällig eine Kneipe am Ring, in der er oft war?«
»Die Pizzeria in
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