Eifel-Ralley
Zermüllen. Da hängen auch oft die Testfahrer der Werke rum. Du kannst gut essen, und es sind immer Leute da, mit denen du über Rennen und Motoren und Autos sprechen kannst. Da fällt mir der neueste Witz ein. Wißt ihr, was Harald Frentzen und Harald Juhnke gemeinsam haben? Nein? Na ja, die fahren beide auf Williams ab.«
Rodenstock verzog das Gesicht. »Kannten Sie auch den Journalisten Harro Simoneit?«
»Nein. Aber ich bin ja auch kein Profi. Die Journalisten interessieren sich kaum für uns. Die geiern alle nach den Schumachers. Nach uns geiert kein Mensch. Wir bauen Autos auf, die mal 40 PS hatten. Wir bauen sie auf bis 200 PS und mehr. Dann sind sie weit über 200 Sachen schnell. Wir machen uns auch die Hände dreckig, wir bauen wirklich.« Das klang stolz.
»Hat denn so etwas überhaupt Zukunft?« fragte Rodenstock.
»Durchaus«, erklärte Paul. »Es gibt so Irre, die zahlen jedes Geld, wenn du ihnen für die 24-Stunden-Rennen oder 1.000-Kilometer-Rennen ein Auto zur Verfügung stellst. Das kostet etwa 20.000 Mark. Es gibt eine Menge Leute, die das einmal im Leben für sich haben wollen: Drin sitzen und mitfahren. Du kannst einen Betrieb aufmachen und fertige Autos vermieten. Dann kannst du noch die technische Mannschaft stellen, die natürlich auch Geld kostet. So etwas kann sich rentieren, aber es ist mühselig.«
»Ich kann mir vorstellen, daß rennbegeisterte Männer alles Geld ausgeben, was sie besitzen, um das richtige Auto zu fahren.«
»Oh ja«, nickte er lebhaft. »Nichts zu essen auf dem Tisch, aber 300 PS in der Garage. Das gibt es, das gibt es massenweise. Ich kenne Leute, die an einem einzigen Wochenende 2.500 Kilometer nur auf der Nordschleife drehen. Die kaufen Anfang des Jahres eine Jahreskarte für sieben- oder achthundert Mark, und Ende Januar haben die sechs Sätze Reifen und zwei Autos erledigt. Kein Problem. Es gibt eine ganze Menge Leute, die lassen sich alte Reifen von den Werkstätten schenken und gehen damit auf den Ring, bis ihnen die Dinger um die Ohren fliegen. Jeden Samstag, jeden Sonntag, wenn der Ring freigegeben ist. Die verscherbeln ihr letztes Hemd. Für die Familien ist das gar nicht schön.«
»Paul hat Familie«, erklärte ich. »Drei Kinder. Seine kleine Tochter hat Leukämie. Er kämpft um sie.«
Paul blieb still. Das war die Stelle, an der er immer still wurde und alle Autos der Welt nicht mehr die geringste Rolle spielten.
»So ist das also«, murmelte Rodenstock. »Hat sie eine Chance?«
Sogar Pauls Stimme war jetzt anders. Fast metallisch. »Sie hat eine. Sie wollten ihr im Krankenhaus wieder mit Chemotherapie kommen. Da habe ich sie nach Hause geholt. Ihre Werte sind jetzt gut. Ich habe den Ärzten gesagt: Nicht mit meinem Kind!«
Rodenstock nickte bedächtig.
Paul wandte sich an mich. »Habe ich dir das mit Gonzo erzählt? Nein? Also, das war so. Gonzo heiratete. Da war er ungefähr fünfundzwanzig. Er war ja schon immer ein Verrückter gewesen, aber jetzt drehte er völlig ab. Er geht also mit seiner jungen Frau ein Wohnzimmer kaufen. Und er will unbedingt einen großen, viereckigen Couchtisch, der gefliest ist und eine hohe Randborte aus Holz hat. Die junge Frau fragt ihn dauernd: Zu was brauchen wir denn sowas? Er gibt keine Antwort, er jagt mit ihr durch die ganze Eifel nach einem Tisch mit Fliesen und Holzbord. Von Mayen nach Kruft, von Kruft nach Gerolstein, von Gerolstein nach Wittlich und dann zu allerletzt nach Trier. Und tatsächlich findet er so ein Ding. Es ist sauteuer, aber er kauft es. Und immer noch fragt die Frau: Was willst du denn mit so einem Tisch? Er gibt keine Antwort. Sie kommen nach Hause, und er baut den Tisch zusammen und stellt ihn auf. Sieht doch klasse aus! sagt er. Am nächsten Tag fahren beide zur Arbeit, aber Gonzo kommt ein paar Stunden früher nach Hause als sie. Und als sie kommt, findet sie Gonzo an dem Tisch sitzen. Auf dem Tisch steht ein Motor vom Escort RS 2.000. Gonzo strahlt sie an und sagt: Klasse, nicht wahr? Jetzt verliere ich nicht mal mehr das Motoröl! Ein halbes Jahr später waren sie geschieden, und Gonzo hat bis heute nicht kapiert, was da passiert ist. Und sowas ähnliches lief ja auch bei Walter zu Hause ab, nur eben etwas harmloser.«
»Was lief bei Walter?« fragte ich.
»Na ja, seine Mutter hat doch immer die Harley geputzt. Ich dachte, das wißt ihr schon. Wenn Walter morgens aus dem Haus fuhr, setzte sich die Mama auf die Harley und fuhr ein Brett hoch, das sie sich in die Küche gelegt
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