Eifel-Ralley
Beine bis in den Himmel haben und jedem erzählen, daß sie damit mehr Geld verdient habe als mit ihrer Hände Arbeit.«
»Und wie kommt Irmchen nach Quiddelbach?« fragte ich.
»Im Schatten eines Irren aus Recklinghausen«, antwortete Emma. »Der Mann war Besitzer eines Campingplatzes in der Schnee-Eifel. Eines Tages hat er beschlossen, sich einen Lotus zu kaufen. Einen der einfachen Version für runde 120.000. Er wußte aber nicht, daß der Autoverkäufer so gut wie pleite war und in der ganzen Republik von den Bullen gesucht wurde. Der Recklinghäuser fährt also stolz wie Oskar nach Frankfurt, um sein Auto abzuholen. Das Auto stand wirklich da, aber der Verkäufer hatte die Fliege gemacht. Nun hatte der Betrieb aber noch eine Buchhalterin. Das war Irmchen. Und Irmchen wußte nicht, wohin. Weil der frischgebackene Lotusbesitzer ein goldenes Herz hat, nahm er Irmchen gleich mit. Für 120.000 ein Auto und eine Buchhalterin. Nun hatte der Lotusbesitzer aber auch noch eine Ehefrau aus alten Tagen. Und die war mit Irmchen nicht so ganz einverstanden. Also wurde Irmchen als Verwalterin des Campingplatzes in die Schnee-Eifel abgeschoben, präzise in die Gegend vom Wilden Mann. Das ging nicht lange gut, weil der Campingplatz- und Lotusbesitzer jetzt erstaunlich oft seinen Campingplatz besichtigen mußte. Irmchen verlor die Stelle als Verwalterin und wurde klammheimlich vom Lotusbesitzer an den Nürburgring verfrachtet. Hier pachtete er ihr ein Lokal, das vollkommen vergammelt und seit Jahren nicht mehr in Betrieb war. In Rieden, genauer gesagt. Und Irmchen war selig. Der Lotusbesitzer sorgte dafür, daß alle möglichen Leute aus der Branche zu Irmchen strömten, um zu essen und zu trinken und es sich Wohlergehen zu lassen ...«
»Entschuldigung, aus welcher Branche denn?« unterbrach Rodenstock.
»Na ja, die Autoprofis. Reifentester, Maschinentester, Bremsentester, Federungstester, was weiß ich. Ach Gottchen, war das ein Durcheinander. Dinah, mach mal weiter, ich brauche Kaffee.«
Dinah sprang ein. »Anfangs lief das alles wunderbar. Doch dann wurde der Lotusbesitzer von einem Schlaganfall dahingerafft. Irmchen wußte zunächst nichts davon. Plötzlich erscheint die Witwe und erklärt, die Kneipe sei geschlossen und Irmchen solle sich gefälligst dorthin scheren, wo ihr Verblichener wahrscheinlich längst sei: in die Hölle. Das war insofern schade, als daß die Kneipe inzwischen hervorragend lief, zumal dort jedermann in etwa zehn Minuten alle seine überschießende Manneskraft loswerden konnte. Irmchen hatte ja so viel Mitleid mit denen. Jetzt war es zappendüster, jetzt war Schluß, aus die Maus. Dann war da ein Stammgast, ein Lkw-Fahrer, der gerade in Quiddelbach gebaut hatte. Und der machte den Vorschlag, daß Irmchen in seine Einliegerwohnung ziehen könne, wenn sie einen Zuschuß zu den Baukosten beisteuern würde. Das konnte sie natürlich nicht, aber sie erinnerte sich an die hinterbliebene Witwe, von der sie zigtausend Mark dafür bekam, daß sie das Ansehen des toten Lotusbesitzers in keiner Weise beschmutzte. So rettete sozusagen ein Unterleib den anderen, Irmchen hatte eine Bleibe. Das muß vor ungefähr drei Jahren gewesen sein. Seitdem lebt sie in Quiddelbach, färbt ihr langes Haar mit Henna, pflegt sich ausufernd und hat einen erlesenen Freundeskreis. Unter anderem einen Mann namens Andreas von Schöntann. Ja! Seht mich nicht so mißtrauisch an. Das stimmt. Petra sagt, sie weiß es hundertprozentig von Harro.«
»Das ist ja viel zu schön, um wahr zu sein«, seufzte Rodenstock.
»Oh, es geht noch weiter«, grinste Emma, was immer bedeutete, daß die eigentliche Überraschung noch kommen sollte. »Wir haben Irmchen als sehr nettes Mädchen kennengelernt, das irgendwie zu überleben versucht und das auch schafft. Irmchen hat keine festen Tarife, um es mal vorsichtig auszudrücken. Und sie ist auch keine hemmungslose Kapitalistin, der es wurscht ist, woher ihr Geld kommt. Irmchen wird als Frau beschrieben, die herzlich und ein richtig guter Kumpel ist. Aber: Sie muß sich irgendwie finanzieren, nicht wahr? Und dann passierte die Sache mit Schöntann. Schöntann hat in ihrer kleinen Wohnung ein paarmal ganz intime Parties gegeben. Sauteuer mit allem Drum und Dran. Anfangs hat Irmchen vornehm Zurückhaltung geübt, doch dann hat sie darauf bestanden, daß er ihr die Getränke bezahlt, die kalten Buffetts, den Schampus, den Kaviar und letztlich wenigstens ein Trinkgeld für ihren illustren Körper.
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