Eifel-Ralley
der Eifel. Wieso sollen denn dort Namen stehen, wo doch ohnehin jeder weiß, wer da wohnt?
Rodenstock nahm die zweite Klingel.
Die Frau, die öffnete, war eindeutig Irmchen, denn sie hatte langes, hennarotes Haar bis auf den Po. Sie trug etwas, das entfernt an einen Morgenrock erinnerte, aber offenkundig unter Materialnot gefertigt worden war. Rauh sagte sie: »Jungs, dies hier ist keine Kneipe, auch wenn ihr noch so gut drauf seid. Könnt ihr heute abend wiederkommen?« Dabei sah sie uns freundlich an.
»Geht nicht«, entgegnete Rodenstock. »Es geht um Harro und Walter.«
»Ihr seid Bullen?«
»Nein«, sagte ich. »Keine Bullen. Wir sind Freunde, wir kümmern uns drum.«
»Aha«, nickte sie. Ihr Gesicht, das sehr hübsch war, sah plötzlich aus wie das eines Clowns, der über die miesen Seiten des Lebens weint. »Und ihr würdet immer wiederkommen, nicht wahr?«
»Ja«, bestätigte Rodenstock.
»Hm. Also gut. Ihr macht einen Kaffee, und ich zieh mir einen Fummel an.« Sie drehte sich um und ging hinternwackelnd vor uns her. Es sah ausgesprochen nett aus.
Die Küche war sehr klein, Rodenstock machte sich an die Arbeit. Ich hockte mich im Wohnzimmer in einen Sessel und schaute mich um. Da war die Sehnsucht nach einem geordneten Leben mit Mann und Kindern, da war das Signal zu erkennen: Ich liebe die Welt, und ich will, daß die Welt mich liebt. Und es gab Hinweise auf die Sehnsucht nach Harmonie: Jemand hatte rund um einen Holzteller den Beginn des Vater unser geschnitzt, ein anderer hatte in Porzellan die Schrift Ein Mutterherz hört nie auf zu schlagen verewigt, und ein uralter Teller vom Trödel verkündete Gott ist in jedem Baum. Der bevorzugte Stoff von Irmchen war schwerer Brokat, und sie hatte unendlich viele Deckchen aus diesem Material über Sessel und Sessellehnen gebreitet. Sogar das Telefon steckte in einem Überzug aus Brokat. Der ganze Raum machte den Eindruck, als sei er 1950 entworfen und dekoriert worden. Es gab nur einen Hinweis auf Modernität. Auf einem schlichten Schild stand: Ich schreibe nicht an!
Sie stolperte hinein, fluchte und beschwerte sich über einen Läufer, der ihr seit drei Jahren auf den Keks gehe. Dabei zündete sie sich eine Reval ohne Filter an und hustete sich in den neuen Tag.
»Rauchen ist schrecklich«, befand sie. Sie schaute mich an und setzte sich in einen Sessel, wobei sie das rechte Bein unter ihren Po brachte. »Ich kann mich ja sowieso nicht drücken, und um meinen Ruf brauche ich mir keine Sorgen mehr zu machen. Also, frag schon. Du siehst so aus, als seist du ein Berufsfrager.«
»Ist er«, bestätigte Rodenstock aus der Küchenecke.
»Wieso kenne ich euch dann nicht? Wieso wart ihr noch nie hier? Mit Harro? Oder mit Walter?«
»Autos und Motorräder sind mir eigentlich scheißegal«, erklärte ich. »Aber ich mochte Harro, und ich mochte Walter. Und nun sind beide tot. Umgebracht.«
»Darum geht es erst mal weniger.« Rodenstock trug den Kaffeetopf auf den Tisch. »Erst mal geht es um Andreas von Schöntann. Den kennst du auch, oder?«
Sie nickte. »Den kenne ich auch. Was hat der damit zu tun?« Sie kniff die Lippen zusammen und starrte aus dem Fenster.
»Er hat hier bei dir gefeiert«, sagte ich.
Sie sah mich an. »Und wenn ich das abstreite?«
»Brauchst du nicht«, sagte Rodenstock väterlich. »Wir schreiben nicht darüber. Jetzt jedenfalls noch nicht.« Er setzte sich in den Sessel neben sie ganz vorne auf die Kante, so daß sein Gesicht sehr nahe an ihrem war. »Stell dir vor, wir könnten dir einen Scheck vorlegen, mit dem die Assistentin vom Schöntann dich bezahlt hat und ...«
»Falsch!« rief sie hell und triumphierend. »Da wird nur bar gelöhnt. Nur bar.« Dann begriff sie, was sie gesagt hatte, und sie fluchte: »Scheiße!«
»Macht nichts«, beruhigte sie Rodenstock. »Wir sind ja keine Bullen. Also, es ist immer bar gelöhnt worden?«
»Ja.«
»Wann war er denn zum letzten Mal hier?«
»Das sage ich nicht. Kein Mensch kann mich zwingen, das zu sagen.«
»Hat die Frau Born dich im voraus bezahlt?«
Sie machte einen Kußmund. »Etwas«, murmelte sie. »Nicht viel, etwas.«
»Was ist das eigentlich für eine Frau?« fragte ich.
»Die Jessica Born? Na, das ist eine süße Blonde. Sie ist dauernd um ihren Chef rum. Ich glaube, der kann nicht mal alleine auf den Lokus gehen. Aber irgendwie braucht er sie, weil er ohne ihre Hilfe nichts mehr geregelt kriegt. Sie hat ihn irgendwie in der Hand. Jedenfalls kriegt sie gutes Geld
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