Eifel-Ralley
nach Luxemburg gebracht«, sinnierte Dinah. »Welchen Vorteil hat das?«
»Es hat den Vorteil, daß der Fiskus nicht erfährt, daß du dieses Geld besitzt. Jedenfalls solange nicht, bis danach gefahndet wird.« Rodenstock räusperte sich. »Peter wird sich melden, wenn er etwas wiedererkennt. Eine Eisdiele zum Beispiel, oder die Bank. Peter wird vor der Bank gewartet haben. Achtet also darauf, was er tut.«
Ich parkte jenseits der Brücke, die über die Schlucht führt, und wir wanderten einträchtig zurück in die Altstadt Luxemburgs. Der Tag war sonnig, es war warm, Peter hatte Dinah den Arm um die Schulter gelegt und plapperte seine Erkenntnisse in die Welt. »Eis essen«, »Irmchen gut«, »Walter gut«, »Jonny böse«. Nur einmal verfiel er ins Erwachsensein. Da fragte Emma: »Willst du eine neue Jeans?«, und er antwortete: »Das wäre nicht schlecht.«
Die Frauen verschwanden mit Peter in einem Jeansladen, und Rodenstock und ich hockten uns an einen Cafetisch, ließen uns Cafe au lait bringen und kauften deutsche Zeitungen, um zu erfahren, wie unser Fall stand. Die Bild titelte War es Rache?
Als die Frauen mit Peter zurückkamen, war er so gut wie neu und unbändig stolz auf die neuen Sachen. »Peter schön«, grinste er und offenbarte durchaus so etwas wie einen Hang zur Selbstironie.
Wir marschierten ganz langsam durch Luxemburg-Stadt und machten vor jeder Bank eine Pause. Peter reagierte überhaupt nicht. Dann kamen wir an einer Eisdiele in der Nähe des Palais vorbei, und er wurde aufgeregt und sagte: »Eis essen.«
Er lief voraus wie ein Kind und wollte sich an einen Tisch setzen, an dem schon ein Ehepaar saß. Er fand es gar nicht gut, daß die dort saßen, denn offensichtlich war es der Tisch, an dem er gesessen hatte, als er mit Irmchen und Walter hier war.
»Stuhl«, sagte er energisch und rüttelte an dem Stuhl, auf dem die Frau saß.
Die Frau war erschrocken und stieß so etwas wie »Ehhh!« aus.
Der Mann wollte aufbrausen, aber Rodenstock kam ihm zuvor: »Entschuldigung, der Junge erinnert sich an etwas. Und ... er ist zurückgeblieben.«
»Das ist kein Grund, andere zu nerven«, sagte der Mann säuerlich.
»Nein«, bestätigte Rodenstock, »da haben Sie recht. Das ist wirklich kein Grund.«
»Friedhelm«, sagte die Frau begütigend, »er will doch nix, der Junge.«
Peter rüttelte an ihrem Stuhl: »Stuhl.«
»Nun wird es mir zu bunt«, sagte der Mann.
»Beruhigen Sie sich«, sagte Rodenstock immer noch freundlich. »Darf ich Ihnen das Eis bezahlen?«
»Wenn's denn sein soll«, nickte der Mann und war augenblicklich bereit, etwas gütiger zu sein.
Rodenstock ging hinein, bezahlte das Eis, und als er herauskam, stand das Ehepaar bereits abmarschbereit. Peter hatte seinen Stuhl, denn es mußte dieser Stuhl sein, kein anderer.
Er strahlte. »Eis essen.«
»Irmchen?« fragte ich. »Wo ist Irmchen?«
»Irmchen gut«, antwortete er sofort, doch dann begriff er, daß ich etwas anderes wollte. Er sprang auf und lief quer über den kleinen gepflasterten Platz zu einem schmalen gelben Haus. »Irmchen hier!« brüllte er.
In dem Haus residierte eine Anwaltsozietät. Der Eigner hieß Degrelle.
»Keine Bank, ein Anwalt«, sagte Rodenstock. »Das wird sehr viel schwieriger. Komm, Baumeister, wir müssen sehen, daß wir klüger werden.«
Wir klingelten also.
Eine Frauenstimme fragte sehr kultiviert auf französisch, was unser Begehr sei, und Rodenstock antwortete akzentfrei, wir seien Besucher vom Nürburgring und er möchte, bitte, Monsieur Degrelle sprechen. Es sei dringend.
Degrelle schien erfolgreich zu sein, denn sein Arbeitszimmer war mit dunkelgrauem englischem Teppich belegt, und die Möbel waren spärlich, aber teuer. Er selbst war klein, sehr lebendig, ungefähr sechzig. Zur Begrüßung sagte er: »Ich hörte von den Kalamitäten bei Ihnen. Setzen Sie sich.« Am kleinen Finger der linken Hand trug er einen Brillanten von Kirschkerngröße, Baguetteschliff.
»Es gab vier Tote«, begann Rodenstock.
»Die Zeitungen sagen drei.« Das Erstaunen des Monsieur Degrelle war echt.
»Es sind leider vier«, sagte Rodenstock. »Der letzte Transport umfaßte 230.000. Durch Irmchen, wie wir die Gute nannten. Sie ist das dritte Opfer. Das Datum wissen wir nicht, weil wir erst seit gerade mit dem Fall befaßt sind.«
Der Anwalt sprach ein sanftes Deutsch. »Das begreife ich durchaus. Sind Sie nun eine Gesandtschaft der Firma oder eine Gesandtschaft der Beteiligten?«
»Weder noch«,
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