Eifel-Schnee
sagt, er hat mit Drogen nichts am Hut, er kennt Ole nicht persönlich. Er hat den Gesetzgeber und seinen Staatsanwalt vollkommen hinter sich, wenn er alles abstreitet, im Gegenteil: Er muß es geradezu abstreiten. Verstehst du seinen paradiesischen Zustand?«
»Ja, natürlich«, sagte ich betroffen. »Ich verstehe, was du sagen willst. Aber hältst du die Sache nicht für komisch?«
»Sie ist nicht nur komisch, sie stinkt geradezu«, seufzte er. »Das ist es, was mich so wütend macht. Und wer bitte ist diese Chemie-Sippe?«
Ich mußte grinsen. »Das ist die typische Eifler Art, höchst wichtige Informationen weiterzugeben, ohne Namen zu nennen. Es ist klar, wen er meinte. Und was machen wir jetzt?«
»Halt, stop. Wer ist denn der Süchtige nun? Hat der einen Namen?«
»Hat er. Jonny. Und jetzt?«
»Wir kümmern uns ganz nebenbei um meinen Kollegen Dieter Kremers«, sagte er leichthin.
Wir fuhren nicht direkt nach Hause, sondern nahmen den Weg über Gerolstein und fielen im Poseidon ein, um Gouwezi zu essen, geschmortes Schweinefleisch mit dicken Bohnen.
»Was macht dieser Chemievater eigentlich?« fragte Rodenstock.
»Ich weiß nicht genau«, sagte ich. »Die Sippe gilt als sehr reich und steckt mit ihrem Kapital in allen möglichen Unternehmen der Eifel. Der Sippenälteste gilt als autoritär und absoluter Herrscher. Wenn er sagt, daß morgen früh die Sonne nicht über der Eifel aufgehen soll, wird der liebe Gott sich danach richten.«
»Haben wir einen Kontakt in diese Richtung?«
»Ja«, nickte ich. »Melanie heißt die Dame. Sie ist hübsch, langbeinig und absolut ohne Moral. Sie lacht dreckig, hat eine Gauloises-Stimme und säuft Schnaps wie andere Leute Geroisteiner. Sie ist ein ganz besonderes Schätzchen. Jonny hat sie in Köln aufgegabelt.«
»Nimm dein Handy und ruf sie an.«
Ich gehorchte. »Melanie, Schöne, ich grüße dich. Der Siggi Baumeister braucht dich mal eine halbe Stunde.«
»Wozu?« fragte sie und lachte.
»Zum Reden«, sagte ich.
»Wann?«
»In einer halben Stunde«, bestimmte ich. »Wo?«
»In meinem Apartment«, schnurrte sie. »Das ist ...«
»Ich weiß, wo das ist«, entgegnete ich.
So wurde das Gouwezi nur eine kurze Erholung, weil wir wegen des Termins sehr schnell schlingen mußten. Der Wirt sah besorgt zu und fragte: »Schmeckt es nicht?« Wir versicherten, es sei köstlich, und verschwanden beinahe im Laufschritt.
»Diese Eifel bringt mich noch mal um«, keuchte Rodenstock.
»Alle Leute behaupten, hier ist nichts los«, sagte ich triumphierend.
Melanie war eine weißblonde Schönheit von etwa einem Meter achtzig. Wie sie da in ihrer Apartmenttür stand, wirkte sie locker wie zweieinhalb Meter. Sie trug grüne Leggins zu einem fatal ausgeschnittenen hemdartigen Oberteil, und ihre Beine hörten überhaupt nicht auf. »Hallo!« sagte sie. Dann sah sie hinter mir Rodenstock und grinste: »Aber es wäre doch nicht nötig gewesen, gleich den Papi mitzubringen!«
»Das freut mich aber«, murmelte Rodenstock und reichte ihr die Hand.
Ich wurde umarmt und bekam einen Kuß auf die Wange gehaucht. »Kommt rein, setzt euch, was zu trinken?«
»Nix«, sagte Rodenstock.
»Was liegt an?«
Ich wußte, daß sie arbeitslos gemeldet war, und ich wußte auch, daß sie auf diesen Zustand meistens stolz war. »Wer bezahlt dir denn die Hütte?«
»Das Sozialamt«, erklärte sie und lächelte allerliebst.
»Und wer bezahlt dein Auto? Versicherung? Sprit?«
»Heh, Baumeister, bist du unter die Bullen gegangen? Das ist doch ein Verhör.«
»Quatsch«, widersprach ich. »Ich war zu Besuch bei einem gemeinsamen Freund. Bei einem, der Heroin mochte und jetzt runterkommen will.«
»Ach so«, sagte sie begierig, »jetzt verstehe ich. Wie geht es Jonny?«
»Phantastisch«, sagte ich. »Ich schätze, er schafft es wirklich. Bezahlt er deine Karre?«
»Natürlich. Das Apartment hier gehört ihm, das weißt du doch.«
»Das weiß ich«, bestätigte ich. »Sag mal, Weib, kiffst du, oder hast du irgendeinen anderen Stoff am Bein?«
Sie hatte einen funkelnagelneuen Wohnzimmerschrank aufgebaut, ein erschreckendes Möbel. Es war tiefschwarz lackiert und hatte das Aussehen einer neogotischen Kathedrale im Stil einer mißlungenen Laubsägearbeit. Auf dem Möbel und hinter seinen Glasscheiben hockten, standen und lagen Puppen herum, die meisten vom Typ Pierrot, schwarz-weiß gekleidet und mit einer dekorativen Träne unter dem rechten Auge.
Sie schüttelte ganz sanft den Kopf. »Nicht
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