Eifel-Schnee
nichts.«
»Das glaube ich Ihnen«, nickte ich. »Nach allem, was wir wissen, waren sie noch ein paar Stunden vor ihrem Tod völlig ahnungslos. Worüber haben Sie denn mit Betty gesprochen?«
Er preßte einen Moment lang die Lippen fest aufeinander. »Banalitäten. Wie geht es dir? Mir geht es gut. Was gibt es am Heiligen Abend zu essen? Wie ist das Wetter bei euch? Wie geht es Ole? Wie läuft das Geschäft? Ach ja, und wir haben uns für Sylvester verabredet. Wir wollten hier in eine Altstadtkneipe gehen, in der Jazzmusiker spielten. Ole mochte das sehr.«
»Sie waren also fest verabredet?«
»Ja. Es war ausgemacht, daß sie am Sylvestertag mittags hier eintreffen wollten. Ich hatte beim Chinesen um die Ecke sogar eine Ente mit Orangensoße bestellt. Ich sehe, das verwirrt Sie etwas, oder?«
»Nein, nicht im geringsten«, log ich.
»Wie würden Sie denn Ihre Bedeutung für die beiden einschätzen?« fragte ich weiter.
»Das ist schwer zu beantworten«, murmelte er. »Ich würde sagen, ich war ein reicher Onkel.«
Immerhin ein Onkel, mit dem Betty bumste, dachte ich. »Haben Sie erlebt, daß die beiden sich stritten?«
Er schüttelte energisch den Kopf. »Nie. Das machte sie ja gerade so sympathisch, sie gingen sehr liebevoll miteinander um. Streit? Nein, nicht erlebt.«
»Aber Sie müssen doch gewußt haben, daß die beiden Drogen verhökerten«, sagte ich vorwurfsvoll.
Er nickte lächelnd. »Sicher wußte ich das. Ole war hemmungslos naiv, wissen Sie. Er erzählte mir das mit den Drogen, und ich sagte immer wieder: Junge, bei deinem Talent hast du es doch nicht nötig, Drogen zu verkaufen. Aber, wissen Sie, das war ihre Sache, nicht meine. Und ich wollte mich nicht aufdrängen. Lieber Herr Baumeister, das Drogengeschäft vom Ole war ein Pipifax, eine Kleinigkeit. Es war eher ein Abenteuer als eine wirkliche Einnahmequelle.«
Zehntausend Mark Gewinn pro Monat sind kein Pipifax, dachte ich matt. »Sagen Sie, haben Sie je einen Mann namens Dieter Kremers kennengelernt?«
»Nein. Wer ist das?«
»Ein Kriminalist, ein Bulle. Er war mit Sicherheit hinter Ole und Betty her. Haben sie nicht von ihm erzählt?«
»Nein, wirklich nicht.«
»Bitte schildern Sie doch mal, wie so ein Wochenende in Junkerath ablief? Wie muß ich mir das vorstellen?«
»Einfach und bäuerlich.« Van Straaten lächelte. »Für mich war das immer mit Geschäften verbunden. Ich habe in Westdeutschland Kunden, sehr betuchte Kunden. Die pflege ich. Wenn ich bei Ole und Betty einfiel, dann besuchte ich immer gleichzeitig einige Kunden. Wie lief das ab? Wir bauten uns einen Joint und ließen den rundgehen. Wir sprachen über Gott und die Welt. Wir tranken ein bißchen Alkohol, aber wirklich wenig. Irgendwann morgens gingen wir ins Bett. Ich schlief immer auf dem Sofa im Wohnzimmer. Wir schliefen stets bis mittags, das war für mich das große Vergnügen.«
»Wen mochten Sie lieber. Betty? Ole?«
»Das kann ich nicht sagen. Ich mochte beide.«
»Haben Sie Ole und Betty oft getrennt erlebt? Also Ole allein oder Betty allein?«
»Kaum«, antwortete er, und ich wußte, daß das gelogen war.
»Wenn ich zusammenfassen darf, so haben Sie keinerlei Anzeichen irgendeiner Bedrohung für die beiden bemerkt. Ist das richtig?«
»Korrekt«, nickte van Straaten. »Werden Sie darüber schreiben?«
»Wahrscheinlich nicht«, entgegnete ich. »Darf ich mich bei eventuellen weiteren Fragen noch einmal an Sie wenden?«
»Jederzeit. Ich bin ein dauernd vorhandener Junggeselle.«
»Ist das hier Ihr einziges Geschäft?«
»Ja«, lächelte er. »Und es reicht mir. Es war schön, Sie kennenzulernen, Herr Baumeister. Eine gute Rückreise.« Natürlich brachte er mich formvollendet durch den Laden auf die Straße und winkte mir zum Abschied freundschaftlich zu. Ich trabte über das uralte Pflaster der alten Herzogstadt in das Hotel Central zurück. Rodenstock und Dinah waren nirgends zu sehen.
Eine Bedienung näherte sich und sagte freundlich: »Ich soll Sie von dem Herrn und der Dame, mit denen Sie zusammen waren, grüßen. Sie werden bald zurückkommen.«
»Danke. Ich hätte gern eine Kanne Kaffee und ein Stück Fleisch mit grünem Pfeffer, ein Steak. Und durch, bitte.«
»Ja, Mijnheer.«
Es dauerte immerhin noch mehr als eine Stunde, bis Dinah mit Rodenstock im Schlepptau in das Restaurant einfiel.
»Hallo«, rief sie etwas atemlos und eindeutig aufgeregt. »Wie ist es dir ergangen?«
»Eigentlich recht gut«, gab ich zur Antwort. »Er hat ein
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