Eifel-Schnee
konzentriert. Und jedes Stück, jeder Buddha, jeder Haustempel, jede Kali wurde von einer Niederfrequenzlampe angestrahlt, alles wirkte sehr gediegen. Natürlich verkaufte er auch Möbel. Es waren offensichtlich englische Möbel aus Rosenholz.
Van Straaten trat aus dem Hintergrund und zelebrierte seinen Auftritt. Die Davidoff-Zigarre in seiner linken Hand wirkte etwa so wie das Stöckchen des Charly Chaplin – untrennbar Teil der ganzen Figur. Er war ein eindrucksvoller, weißhaariger Mann, schlank, drahtig, braungebrannt, vielleicht fünfzig Jahre alt. Er trug einen maßgeschneiderten grauen Anzug mit Weste, und seine Uhr war eine Rolex mit Brillanten. Er sagte: »Willkommen, herzlich willkommen!« und lächelte das Lächeln einer Zahnpastareklame. Seine dunkelbraunen Schuhe waren bestimmt aus Italien und von der Sorte, die sich gewisse Leute persönlich anfertigen lassen, um nichts mit dem niedrigen Volk gemein zu haben. Van Straaten bot insgesamt einen erschreckend perfekten Anblick, und wäre seine Stimme eine vollautomatische Elektronikstimme gewesen, so hätte mich das auch nicht verwundert.
»Ich bin der Baumeister«, sagte ich. »Ich hoffe nicht, daß ich Sie allzu sehr störe.«
»Keine Spur«, entgegnete er sachlich. »Nur der Anlaß ist ekelhaft. Hatten Sie eine gute Fahrt? Kommen Sie, wir gehen in mein Büro, da ist es gemütlicher.« Er drehte sich und ging vor mir her. »Wann werden denn Betty und Ole beerdigt?«
»Das weiß man noch nicht. Nach dem Wirbel zu urteilen, die diese Vorkommnisse machen, werden die Gerichtsmediziner keine Untersuchung auslassen. Ich vermute, es wird mindestens noch eine Woche dauern. Wann hatten Sie den letzten Kontakt zu den beiden?«
»Das war kurz vor Weihnachten«, erinnerte er sich. »Wir hatten eigentlich vor, Sylvester zusammen zu verbringen.«
Ich fragte nicht weiter, ich überlegte etwas verwirrt: Wieso Sylvester? Sylvester wären sie doch längst in Kanada gewesen, wenn alles wie geplant abgelaufen wäre. Sollte van Straaten nicht wissen, daß sie verschwinden wollten?
»Wir sind am Ziel«, sagte er und machte eine Tür auf. Das Büro war ausschließlich mit englischen Möbeln bestückt und wirkte sehr anheimelnd. Es gab kein Licht außer einer in dezentem Blau gehaltenen Jugendstillampe auf einem Schreibtisch, und zweifelsfrei war sie echt. Das Erstaunliche an dem Raum war, daß er kein Fenster hatte.
Wir setzten uns an ein kleines, ovales, rundherum mit Schubladen bestücktes Tischchen.
»Wie kommen Sie zu diesen Möbeln?« fragte ich. Kaufleuten, dachte ich wütend, muß man Zucker in den Arsch blasen.
»Es ist englisch, Rosenholz, ich importiere das seit etwa zwanzig Jahren und bin Exklusivaufkäufer einer kleinen, aber hochfeinen Fabrik an der schottischen Grenze. Mein Geschäft hat zwei Füße: Asiatica, das Erbe aus kolonialen Zeiten, und die Möbel aus England.«
»Was kostet so ein Stückchen?«
»Ich würde Ihnen entgegenkommen«, lächelte er. «Vierzigtausend, und ich fahre Ihnen den Tisch nach Hause. Wie sind denn Sie an die Bekanntschaft mit Betty und Ole gekommen?«
»Überhaupt nicht«, erklärte ich. »Ich habe sie nicht gekannt. Ich war nur bei der brennenden Scheune, ich bin Journalist, also versuche ich, den Fall etwas aufzuhellen. Und Sie?«
Er saß vollkommen locker in seinem Sessel, hatte nicht einmal die Beine übereinandergeschlagen, starrte in eine imaginäre Ferne, und man konnte den Eindruck gewinnen, als sei ich gar nicht vorhanden. »Das ist jetzt zwei, nein, drei Jahre her. Wir lernten uns im Eifel-Haus im Burgbering von Kronenburg kennen. Dort ißt man gut. Der Laden war voll, die beiden wurden an meinen Tisch gesetzt. Ich hatte von jeher ein massives Interesse an Jugendlichen. Das mag daran liegen, daß ich nie eine Familie hatte. Eines ergab das andere. Die beiden waren irgendwie erfreuliche Erscheinungen. Also fingen wir an, uns gegenseitig zu besuchen. Natürlich habe ich dann ab und zu Haschisch mitgebracht, und wir hockten auf dem Bauernhof in der Eifel und kifften.« Weil das offenbar eine erheiternde Erinnerung war, lachte er unterdrückt.
»Wie war das jetzt, als Sie die beiden das letzte Mal sprachen?«
»Das war ein paar Tage vor Weihnachten«, berichtete er bereitwillig. »Ich telefonierte mit Betty. Ich habe seitdem überlegt, ob ich etwas überhört habe, ob sie vielleicht Kummer oder Angst hatte, ob ihre Stimme so etwas verriet.« Er schüttelte nachdenklich den Kopf. »Ich versichere Ihnen, da war gar
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