Eifel-Schnee
Schon seit Tagen. Da kann ich nichts machen.«
»Ich brauche die Dokumente nicht«, erklärte ich. »Ich bin nicht die Polizei. Ich wollte nur wissen, ob die beiden bar bezahlt haben oder mit Scheck.«
Der Reisebüromensch war ein cleveres Kerlchen, er lächelte mit schmalen Lippen und machte sein Spiel. »Na, was vermuten Sie denn?« Dann legte er den Kopf schräg. Vermutlich war er oft unter den Zuschauern von SAT 1 oder RTL.
»Ich soll also raten, hm?« Ich mußte grinsen. »Was kriege ich, wenn ich richtig rate?«
»Was möchten Sie denn?« fragte er, und jetzt lachte er offener.
»Eine der Burgen Heinrich VIII auf Irland?«
»Einverstanden«, sagte er. »Also, Ihre Meinung?«
»Sie zahlten bar«, sagte ich. »Und reden Sie mir nicht ein, daß es anders war.«
»Wieso sind Sie so sicher, Herr Baumeister?«
»Das hat mit der Natur des Falles zu tun«, behauptete ich. Er wollte irgend etwas loswerden, aber was?
»Und was ist die Natur des Falles?« Er trommelte auf die Glasplatte seines Verkaufstisches.
»Drogen«, murmelte ich. »Das wissen Sie doch. Drogen sind immer Bargeld.« Dann riskierte ich die Kardinalfrage. »Sie wollen etwas loswerden, nicht wahr?«
»Das ist ja erstaunlich«, sagte er leise. »Ja, will ich. Es ist so, daß ich Ole mochte ... und Betty natürlich auch. Sie haben bar bezahlt. Etwa eine Woche vor Weihnachten. Damit sie nicht mit jemandem zusammentrafen, rief Ole mich an und sagte, er käme mit Betty nach Geschäftsschluß am Abend. Ich wußte schon, was sie wollten, und er hatte mich gebeten, mit niemandem darüber zu sprechen. Die Unterlagen hatte ich schon fertig. Es war ganz komisch. Ich bin mit Ole ins Gymnasium gegangen, so lange kennen wir uns schon. Diese jungen Leute wollen immer die billigen Flieger, und das ist ja auch richtig so. Aber Ole wollte einen Normalflug und Erste Klasse. Heh, sagte ich, du bist verrückt. Ich bin dankbar für jedes Geschäft, aber das hast du bei mir nicht nötig. Doch am zweiten Weihnachtsfeiertag gab es sowieso keine billigen Flüge, und es mußte der zweite Feiertag sein, sonst kam kein Tag für die beiden in Frage. Also buchte Ole zweimal Erste Klasse Linie Frankfurt-Montreal und ein Wohnmobil für geschlagene drei Monate. Er bezahlte insgesamt etwas über zehntausend Dollar. Na sicher, Ole hat einen Vater, der ziemlich gut betucht ist, aber den Spaß hätte er eigentlich im Sommer für die Hälfte haben können, und ...«
»Also, er legte über zehntausend Dollar auf den Tisch. Okay? Gut, wie zahlte er? Deutschmark, Dollar? Holländische Gulden?«
»Deutschmark. Ich gab ihnen die Tickets, und Ole sagte: Das wird ein Riesenspaß! Betty hat die Tickets in die Handtasche gesteckt und meinte ganz komisch, das wird sicher ein Riesenspaß, wenn wir heil ankommen. Ich habe mir nichts dabei gedacht, jetzt aber denke ich mir was dabei.«
»Wie hat Ole reagiert?«
»Er sagte, sie soll kein Hasenfuß sein. Ich erinnere mich an den komischen Ausdruck Hasenfuß, hört man ja nicht oft.«
»Sie glauben also, daß Betty etwas geahnt hat?«
Er nickte. »Das glaube ich. Wenigstens klingt das heute so, oder?«
»Haben Sie das auch der Mordkommission erzählt?«
»Ja, natürlich, aber ich glaube, die machen nichts draus.«
»Und weitere Bemerkungen sind nicht gefallen?«
»Reicht das nicht?« fragte er vorwurfsvoll.
»Das reicht durchaus«, nickte ich. »Vielen Dank. Und wenn Sie noch etwas hören, rufen Sie mich bitte an.«
»Na klar«, versprach er. »Und viel Glück.«
Ich marschierte durch die Fußgängerzone der Kreisstadt den Berg hinunter und erlebte nach vielen Tagen endlich mal wieder ein Stück blauen Himmels und eine Spur der bleichsüchtigen Sonne. Es gab sie also noch. Ich erwischte mich, wie ich ein Lied pfiff. Dann kaufte ich zwei Kilo Weintrauben.
Der Arzt Grundmann hatte Mario mittlerweile von der Bedrückung der Intensivstation befreit und ihn in ein Zimmer ganz am Ende eines Korridors gelegt, in den einem Verbot zufolge kein Besucher des Hauses gehen durfte, weil dort »technische Räume« waren. Wer immer das erfunden hatte, es würde wirken.
Grundmann stand in einer offenen Tür und berichtete, nachdem wir uns begrüßt hatten: »Er hält sich unglaublich gut. Er hat Mut, der Junge ist klasse.«
Ich stand vor Marios Bett und starrte auf ihn hinunter, wie er da bleich und hohlwangig auf seinem Kissen lag. »Scheiße!« entfuhr es mir, und ich nahm ihn in die Arme.
»Sie sagen, es gibt gute Prothesen, die man kaum
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