Eifel-Schnee
Apartmenthaus wirkte wie immer kühl und wenig einladend. Zu sehen war nichts, nicht einmal ein Rettungswagen des DRK oder ein Streifenwagen. Ich benutzte Melanies Klingel, und sofort summte der Türöffner. Ich ging hinauf, die Wohnungstür stand offen, darin ein Mann, der mich mißtrauisch anschaute. »Was wollen Sie?«
»Ich wollte zu Melanie. Wir kennen uns.«
»Das geht nicht, sie ist ...«
»Sie ist tot, ich weiß«, sagte ich. Dann stellte ich mich vor. »War es wirklich Selbstmord?«
»Bis jetzt sieht es so aus.«
»Wie hat sie es gemacht?«
»Das wissen wir noch nicht. Keine Waffe, kein Strick.«
»Wieso hat der Hausmeister sie gefunden?«
Der Mann bekam schmale Augen. »Ach, das wissen Sie auch schon? Sie waren heute morgen verabredet, und er wunderte sich, daß sie nicht aufmachte. Er konnte sehen, daß drinnen Licht brannte. Da hat er die Tür aufgemacht.«
Ich fragte mich, was geschehen würde, wenn die Polizei entdeckte, daß ihr Kollege Dieter Kremers seit geraumer Weile jede Nacht hier zu Gast war. Ich wollte Melanie nicht sehen, ich wollte eigentlich nur wissen, ob die Kokainbeutel noch an Ort und Stelle klebten. Wenn es Selbstmord war, dann ... Baumeister, hör endlich auf zu spekulieren und hau ab hier.
»Schönen Dank«, murmelte ich. »Darf ich Sie anrufen?«
»Sie erreichen mich in Wittlich, mein Name ist Jungen.«
»Danke.«
Ich fuhr über Gees und Neroth nach Niederstadtfeld zu Marios Eltern. Sie sahen beide blaß und übernächtigt aus.
»Ich will keine langen Reden schwingen«, erklärte ich. »Stimmt es, daß Ihre Garage häufig offensteht?«
»Ja«, nickte Marios Vater.
»Dann suchen wir mal nach Beuteln mit weißem Pulver. Kommen Sie!« Ich ging vor ihnen her, während er aufgeregt fragte: »Was soll das? Wird Mario verdächtigt?«
»Nicht die Spur. Aber es kann sein, daß man ihm etwas anhängen wollte.«
»Wie groß sollen diese Beutel sein?«
»Etwa zehn mal zehn.«
In der Garage herrschte tatsächlich Chaos, in dem ein Auto nur Platz haben würde, wenn man mit Vollgas für Platz sorgte. Anfangs schien es unmöglich, hier etwas zu finden, aber dann konstruierten wir einen Fall. »Stellen Sie sich vor, Sie stehen vor der offenen Garage und wollen hier etwas verstekken. Sie haben nicht viel Zeit, ein paar Sekunden nur. Wo würden Sie diese Beutel hintun?«
»In eine leere Farbdose vielleicht? Vielleicht in einen der alten Spankörbe da. Oder in eine der Werkzeugkisten? Was ist denn in den Beuteln?«
»Kokain«, teilte ich mit.
»Mein Junge und Kokain?« Seine Nerven hatten gelitten, er zitterte.
Wir fanden die Beutel in einem Winterreifen, der ziemlich abgefahren an einem dicken Nagel an der Wand hing. Es handelte sich um vier Beutel.
»Ich nehme nur zwei Proben mit«, sagte ich. »Dann verstauen wir es wieder an Ort und Stelle.«
»Ja, aber das geht doch nicht. Wenn jemand kommt ...«
»Wir wollen ja, daß jemand kommt.« Ich riß einen Beutel auf und schmeckte. Es schien ebenfalls guter Stoff zu sein. Einen Kaffeelöffel voll schüttete ich in ein altes Kuvert und steckte es ein. »Wenn jemand kommt, rufen Sie mich an. Sofort.«
Mario Vater versprach es verwirrt.
Rodenstock und Dinah hockten am Küchentisch und schlürften einen Kaffee und einen Kognak. Dinah berichtete: »Die Kölner haben Ole und Betty umgebracht. Dieser Smiley hat inzwischen gestanden. Aber Rodenstock ist der Meinung, Smileys Geschichte ist erfunden. Smiley behauptet, daß Ole und Betty ihnen ein paar wichtige Kunden abgenommen hätten. Sie seien am Heiligen Abend nach Jünkerath gefahren, um die beiden zu bestrafen. Vorher hätten sie gekifft, Ecstasy geschmissen und überdies Koks und anschließend Valium eingefeuert. Er könne sich nur undeutlich erinnern, was vorgefallen sei. Wer den beiden das Genick gebrochen hat, weiß er nicht mehr genau. Wer ihnen Heroin spritzte, daran will er sich auch nicht erinnern. Und wer auf die Idee kam, die Bude anzuzünden, ist ebenfalls unklar...«
»Es sieht so aus, als käme er damit durch«, murmelte Rodenstock düster. »Was ist mit Melanie?«
»Sie wissen nicht, ob es Selbstmord war. Ich konnte nicht riskieren, ins Bad zu gehen und nach dem Kokain zu sehen. Kokain befindet sich übrigens auch in der Garage von Marios Eltern. Wird die Staatsanwaltschaft jetzt gegen Kremers ermitteln?«
Dinah schüttelte den Kopf. »Erstmal schützen sie ihren Mann, sie sagen, er hätte ein paar Aufträge gehabt. Wir sollen alles aufschreiben, was wir über ihn
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